Interview: Taiwans Vetreter in Deutschland hat nur begrenzten politischen Spielraum – doch den will er nutzen
Ohne offizielle diplomatische Beziehungen sei er ein „U-Boot“ sagt Shieh Jhy-Wey (謝志偉) scherzhaft – ein „Untergrund-Botschafter“. Auf seiner Mission in Deutschland muss der diplomatische Quereinsteiger politischen Untiefen ausweichen und den Spielraum seines Landes immer wieder ausloten.
Damit hat der frühere Deutschprofessor und TV-Talkmaster Erfahrung: Von 2005 bis 2007 stand Shieh schon einmal für Taiwan am Ruder in Berlin.
Mein Interview mit ihm erschien leicht gekürzt auch am 18.1.2019 im „Mannheimer Morgen“ neben einem Bericht von mir über Chinas Drohungen gegen Taiwan.
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Seit seiner Rückkehr 2016, sagt Shieh, bekomme er von Politikern, NGOs und Akademikern oft Lob für Taiwans demokratische Entwicklung zu hören.
„Die Rede von Xi Jinping hat viele beunruhigt. Mehrere Bundestagsabgeordnete haben mir gesagt, sie könnten es nicht akzeptieren, dass Taiwan sich nun solche Drohungen gefallen lassen muss, nachdem es durch China sowieso schon isoliert und in die Enge getrieben wurde. Im Parlament gibt es nun Bemühungen, die Bundesregierung zu einer Stellungnahme zu bringen.“
Das ist mittlerweile passiert: Am 16.1. befragte im Bundestag der CDU-Abgeordnete Klaus-Peter Willsch während einer Fragestunde Bundesaußenminister Heiko Maas.
Man beachte: Maas äußert sich nur zu Taiwan, weil er dazu aufgefordert wurde. Und er nimmt das Wort „Taiwan“ nicht in den Mund. Immerhin wissen wir nun: Drohungen mit Gewalt sind „nicht akzeptabel“, und China spaltet die EU vor Abstimmungen im Ministerrat und verhindert so einstimmige Beschlüsse.
Das Fehlen diplomatischer Beziehungen erschwert Shiehs Arbeit. Außenminister Maas habe ihn noch nie getroffen.
„Das wäre zu schön. Zufrieden kann ich nicht sein, aber ich habe mich damit abgefunden. Die Kommunikation mit dem Auswärtigen Amt läuft gut. Ich werde dort empfangen, aber eben nur bis zu einer gewissen Etage. Wir treffen uns regelmäßig. Woanders, auch in der EU, wird Taiwan nicht so gut behandelt. Zum Beispiel haben die Gesundheitsminister Gröhe und Spahn sich bei der Weltgesundheitsorgansation ziemlich deutlich für eine Mitwirkung Taiwans eingesetzt. Das hat nicht jedes Land getan.“
Das weltpolitische Klima habe sich in den vergangenen Jahren verändert, sagt Shieh. Durch großspuriges Auftreten habe China sich ins eigene Fleisch geschnitten.
„Viele Staaten, von Südostasien bis nach Indien und Australien, fühlen sich bedroht – etwa durch Chinas militärische Aktionen im Südchinesischen Meer oder seine aggressive Wirtschaftspolitik. Peking führt sich auf, als müsse die ganze Welt vor ihm einen Kotau machen. Davor kann die freie Welt nicht länger die Augen verschließen. Als Taiwaner müsste man sich fast schon freuen, dass China jetzt nicht nur Taiwan bedroht, sondern auch andere Nachbarländer.“

Europa solle sich mehr dafür interessieren, was am anderen Ende der Welt passiert – trotz seiner eigenen Probleme.
„Solche Ausreden habe ich vor 12 Jahren schon gehört. Die Europäer sind immer mit irgendwas beschäftigt. Es würde ihnen gut tun, über den Tellerrand hinaus zu blicken. Ich höre oft Beschwerden über China, etwa beim Umgang mit geistigem Eigentum. Aber niemand hat sich getraut, etwas zu tun. Erst die USA haben mit dem Handelsstreit den Stein ins Rollen gebracht, und Europa ist Nutznießer.“
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Shieh sagt, er handle nach dem „Leberwurstprinzip“: Er rede frei von der Leber weg, und was China sage, sei ihm Wurst. Sind Provokationen der richtige Weg in dieser Situation?
„Als Vertreter eines nicht anerkannten Staates, weiß ich, was ich mir leisten kann und wo die Grenzen sind. Ich muss Slalom fahren, mich dabei schnell in alle Richtungen bewegen – aber ich fahre nicht in den Abgrund. Dass China von Zeit zu Zeit mit dem Säbel rasselt, gehört für Taiwaner zum Alltag. Aber wir werden tagtäglich an die Wand gedrückt und in die Enge getrieben. Man lobt unsere Demokratie, aber Taiwaner dürfen bei vielen internationalen Konferenzen nicht teilnehmen und UN-Gebäude nicht mal als Touristen betreten. Unter solchen Umständen können und müssen wir es uns leisten, ein bisschen zu trotzen.“
Wieso Deutschlands Taiwanpolitik trotz aller Gesten der Unterstützung problematisch ist, und was Frank-Walter Steinmeier damit zu tun hat, das habe ich hier aufgeschrieben.
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