Neulich ist also passiert, was jeder, der sich ernsthaft mit Taiwan beschäftigt, seit Jahren erwartet hatte: Es kam zu einem Schlüsselereignis, das plötzlich Taiwans Situation zum weltweiten Großthema machte. Auf den Besuch von Nancy Pelosi folgten Chinas Militärmanöver und Drohgebärden.
Und die Reaktion in deutschsprachigen Medien war oft sinngemäß „Oh nein, ein weiterer Krisenherd! Wo kommt der denn plötzlich her?“, als sei dies nicht nur das neuste Kapitel in einer Entwicklung, die seit Jahren, wenn nicht Jahrzehnten, läuft.
Medienkritische Blogposts von mir sind auf dieser Seite im Lauf der Zeit einige zusammengekommen – z.B. aus den Jahren 2016, 2017, 2018 oder 2019.
Dass Chinas Militärmanöver rund um Taiwan (die natürlich seit Jahren geplant und vorbereitet waren und nicht spontan improvisiert wurden) dieser Entwicklung einen Schub gaben, lässt sich nicht leugnen. Der sich träge, aber unaufhaltsam dahin wälzende Gletscher legte einen Zwischenschub ein.
Meine eigenen Berichte rund um Pelosis Besuch
In chronologischer Reihenfolge (inkl. der TV-Beiträge, an denen ich maßgeblich beteiligt war).
- Am 3.8., als Pelosi am Tag nach der Landung ihren eigentlichen Besuch absolvierte, schrieb ich einen Kommentar, der tags darauf in der taz abgedruckt wurde. Meine These: Wäre dieser Besuch nicht vorab an die Medien durchgestochen worden, hätte er kaum interessiert, denn hochrangige Politikerbesuche erlebt Taiwan ständig.
- Das Schweizer Radio führte ein Gespräch mit mir, in dem es vor allem um die Reaktion der Taiwaner ging. Es wurde am Morgen des 4.8. gesendet.
- Ich redete mit dem Podcast „The Pioneer Briefing“ der ebenfalls früh am 4.8. online ging. Auch stand die Stimmung in Taiwan im Mittelpunkt.
- Für die Tagesthemen vom 3.8. machte ich Wu’er Kaixi als Gesprächspartner klar. Er hatte am Nachmittag noch Pelosi in Taipeh persönlich getroffen. Ich kenne den Tiananmen-Studentenführer, der hier im Exil lebt schon lange.
- Am 4.8., als Pelosi weitergereist war und China seine ballistischen Raketen hoch und weit über Taiwan hinweg feuerte, schrieb ich einen Text für tagesschau.de. Thema: Keine Panik spürbar auch nicht auf der Insel Xiaoliuqiu.
- Für einen News-Podcast der Zeit am Nachmittag des selben Tages steuerte ich eine kurze Sprachnachricht bei, zur Reaktion auf die Manöver.
- Im ARD-Weltspiegel am 7.8. lief unser Beitrag zu Taiwans Reaktionen auf de Ukraine, für den wir lange und viel gedreht hatten und der natürlich noch eine neue Brisanz gewonnen hatte.
- Das ARD-Mittagsmagazin vom 8.8. berichtete über einen Taiwaner, der als Freiwilliger in der Ukraine war und den ich ebenfalls mit dem Korrespondenten in Taiwan getroffen hatte. Außerdem einige Statements von Taiwanern auf der Straße, die ich am Wochenende hier in Taipeh gedreht hatte.
- Über das vorläufige Ende der chinesischen Blockade-Übung habe ich am 11.8. noch einmal mit dem Schweizer Radio geredet.
- Wie Wu’er Kaixi das Treffen mit Pelosi einordnet, und warum er mir sagte „Es gibt keine Taiwan-Krise“, habe ich ausführlich für die taz am 13.8. aufgeschrieben.
Seit mehr als zwölf Jahren versuche ich mit meiner Arbeit, Taiwan in Deutschland ein bisschen bekannter zu machen. Dafür erwarte ich nichts außer etwas Aufmerksamkeit.
Nun möchten sich einige Menschen für Dinge, die sie schätzen, erkenntlich zeigen. Das ist sehr nett. Und genau dafür gibt es meine Supporter-Seite bei bei „Steady“, wo man jeden Monat ein paar Euro beisteuern kann. Ganz unkompliziert! Vielen Dank.
Hier konnte man noch mehr erfahren
Ohne jeden Anspruch auf Vollständigkeit: eine kleine Auswahl weiterer deutschsprachiger Berichte aus diesen Tagen, die ich empfehlen kann:
- Am Abend des 2.8., als Pelosi gerade gelandet war, hatte der für Taiwan zuständige ARD-Ostasienkorrespondent Ulrich Mendgen ein bemerkenswertes Schaltgespräch mit tagesschau 24. Einige Zitate: „Nie Teil der Volksrepublik gewesen.“ „Die Mehrheit der Menschen auf Taiwan wollen den Anschluss (sic) an die Volksrepublik nicht.“ „Dieser Konflikt hat sich bereits verschärft, ohne dass wir in Europa das beobachtet haben.“ „Es ist nicht genau dort hingeschaut worden über längere Zeit.“ „Das ist eigentlich nichts Neues.“ „China betreibt einen aggressiven Expansionskurs in dieser Region, hat Konflikte mit vielen anderen Staaten.“ Es war sicher hilfreich, dass er wenige Tage zuvor noch selbst in Taipeh sein konnte.
- Gelungene 40-minütige Gesprächssendung auf WDR 5 zu Taiwan mit Prof. Kristin Shi-Kupfer.
- Der Techkorrespondent der NZZ mit einem guten Überblick über die Bedeutung der Chipproduktion in Taiwan, und warum es nicht mal nur TSMC ist.
- Im ARD-Presseclub am 7.8. ging es nur um Taiwan – vor allem aus deutscher Sicht.
- Tech-Experte Sascha Pallenberg erklärt in einem Anleger-Podcast das Leben in Taiwan, und bringt sehr schön auf den Punkt, was es so besonders macht.
- Pallenberg erläutert in der Wirtschaftswoche die Bedeutung von Taiwans Halbleiter-Industrie.
Eine Antwort
Mit der Gefahr wächst die Unterstützung für Taiwan – nicht in wünschenswertem Maß, aber immerhin.
Dass Taiwan zunehmend mit in die geostrategischen Planungen aufgenommen wird, hätte ich 2017 nicht mehr für möglich gehalten.
(Aber ich hatte wohl die Halbleiterindustrie nicht auf dem Zettel.)