Taiwan und der Islam: Mehr als Touristen und Gastarbeiter
Nicht nur im Schatten der Weltpolitik liegt Taiwan, sondern auch abseits internationaler Flüchtlingsrouten. Syrien und der Nahe Osten sind von hier aus der Ferne Westen. Ist der Islam in Taiwan also ein Fremdkörper? So einfach ist es nicht.
Frauen mit bunten Kopftüchern, Läden mit dem Koran in der Auslage, exotisches Essen: Auch das ist Taipeh. Die allermeisten Menschen hier wissen aber nichts davon.
„Klein Indonesien“ versteckt sich am Ende einer unterirdischen Einkaufspassage zwischen Hauptbahnhof und U-Bahn-Station.
Ein halbes Dutzend indonesische Restaurants und Geschäfte gibt es hier, und richtig voll wird es vor allem am Sonntag.
Viele muslimische Gastarbeiter aus Indonesien
Indonesien ist nicht nur das bevölkerungsreichste islamische Land der Welt, es ist auch neben den Philippinen die größte Quelle für ausländische Arbeitskräfte in Taiwan. Hunderttausende Indonesier arbeiten hier, die Frauen meist als Altenpflegerinnen, die Männer als Fischer oder Fabrikarbeiter.
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Muslime in nennenswerter Zahl leben in Taiwan spätestens seit dem Exodus von Chiang Kai-shek und seiner nationalchinesischen Armee 1949, als Chinesen aus allen Landesteilen auf die Insel kamen.
Bai Chongxi, einer von Chiangs berühmtesten Generälen, später Verteidigungsminister, war Angehöriger einer muslimischen Volksgruppe, bestattet wurde er in einer mit dem Halbmond geschmückten Gruft hier in Taipeh.
Moschee am Daan-Park
1960 wurde mitten in der Stadt eine große Moschee gebaut. Damals gab es noch keine Gastarbeiter. Heute heißt es, die Moschee sei eigentlich zu klein geworden und platze vor allem freitags aus allen Nähten.
Muss eine größere Moschee her, und sollte die Stadt sich beteiligen? Bürgermeister Ko stieß diese Diskussion an.
Trotzdem gehört der Islam in Taiwan für die meisten Menschen kaum zum Alltag. Es gibt einfach wenig Berührungspunkte – abgesehen davon, dass in den Parks rollstuhlschiebende Altenpflegerinnen mit ihren bunten Kopftüchern ein häufiger Anblick sind.
Der Islam, wie ihn die meisten Indonesier praktizieren, ist außerdem recht liberal und hat für Taiwaner nichts abschreckendes oder gar bedrohliches.
Alle Indonesier/-innen, die ich bei meinen Recherchen kennengelernt habe, sind ausgesprochen fröhlich und aufgeschlossen.
Meine sonstigen Berührungspunkte mit dem Islam in Taipeh sind eher kulinarisch: Während des Ramadan lädt ein türkisches Wirtschaftsbüro mich jedes Jahr zum abendlichen Fastenbrechen ein. Lecker.
Gastarbeiter-Treff Schalterhalle
Zurück nach „Klein Indonesien“ unter dem Hauptbahnhof. Vor allem am Sonntag, wenn die meisten Gastarbeiter ihren freien Tag haben, ist es hier richtig voll.
Ich komme gern hierher, denn in den indonesischen Buffet-Restaurant kann ich mir den Pappteller voll laden mit leckeren, scharfen Curry-Gerichten, wie man sie in Taipeh sonst nicht so leicht findet.
Zur gleichen Zeit versammeln sich immer Sonntags in der großen Halle des Hauptbahnhofs tausende Arbeitsmigranten, vor allem Indonesier. Sie sitzen in Grüppchen auf dem Boden, reden, zeigen sich gegenseitig Smartphone-Fotos und feiern auch schon mal Geburtstag.
Über diese Menschenmassen in der Schalterhalle regten sich auch schon mal einige auf („Wie sieht denn das aus?!“), aber inzwischen hat sich alles eingependelt.
Die Wege in der Halle werden freigehalten, die Arbeiter verhalten sich ruhig und entspannt.
Und sowieso: Wenn es keine anderen passenden Orte gibt, die vergleichbar groß und zentral gelegen sind, kann man es Ihnen verdenken, dass sie sich einen Platz suchen?
Ich freue mich jedenfalls immer, wenn ich Sonntags hier vorbeikomme, denn es herrscht eine heitere Stimmung.
Taiwan und der IS? Eher ein Missverständnis
Ein einziges Mal war islamischer Terrorismus in den letzten Jahren ein Thema in Taiwans Medien, und auch nur indirekt: In einem IS-Propagandavideo war unter anderem auch Taiwans Landesflagge eingeblendet worden.
Wie kann das sein, wo das international isolierte Taiwan sich doch im Nahen Osten überhaupt nicht einmischt? Wahrscheinlich lag es daran, dass Barack Obama Taiwan in einer Rede als Verbündeten genannt hatte. Und das wohl nur, weil Taiwan einige Notunterkünfte für Syrer finanziert hatte, die in Nachbarländer geflohen waren.
Taiwan will mehr muslimische Touristen
Die Aufregung ging zum Glück schnell wieder vorüber. In Sachen Tourismus versucht Taiwan derzeit, sich betont islamfreundlich darzustellen. Man will sich nicht mehr so sehr auf China konzentrieren, sondern auch Besucher aus anderen asiatischen Ländern anlocken.
Vor allem Malaysier hat man als zahlungskräftige, reisefreudige Zielgruppe entdeckt. Wie sein Nachbar Indonesien ist Malaysia ein islamisches Land, allerdings viel wohlhabender.
Und die Zahl muslimischer Touristen wird insgesamt steigen. Taiwan möchte sich einen Teil vom Kuchen sichern. Dazu gehört auch, dass die Emirates-Direktverbindung Dubai-Taipeh gut angenommen wird.
Das haben muslimische Touristen mit Taiwanern gemeinsam: Essen ist wichtig. Halal sollte es sein, also u.a. frei von Schweinefleisch. Gar nicht so einfach in Taiwan, wo Schweinefleisch ominipräsent ist.
Spezielle Flyern listen, neben Adressen von Moscheen, auch passende Restaurants.
Für die Vielfalt in der hiesigen Restaurant-Szene kann das nur gut sein!