Haifischflossensuppe bringt Taiwan ins deutsche Fernsehen
Es waren ernüchternde Bilder aus Taiwan, die am Sonntag im Weltspiegel, dem renommiertesten Auslandsmagazin im deutschen Fernsehen, zu sehen waren. Taiwans Fangflotten fischen die Meere leer und töten dabei unzählige Haifische. Aber es gibt auch ermutigende Ansätze.
Stellen Sie sich mal vor, wir würden Rinder schlachten, ihnen die Zunge abschneiden und den Rest wegwerfen. Klingt pervers, aber viel schlimmeres passiert täglich zigtausendfach: Haifische werden gefangen, nur um ihnen die Flossen abzuschneiden. Für Suppe.
Anders als Rinder lassen Haie sich nicht züchten und stehen im Ozean an der Spitze der Nahrungskette. Wenn der Mensch sie ausrottet – und wir sind auf dem besten Weg dahin – brechen ganze Ökosysteme zusammen. Haie bekommen nur selten Nachwuchs, und wir töten sie viel schneller, als sie nachwachsen können.
Taiwan und die Haifischflossen-Suppe
Taiwan spielt dabei leider auch eine Rolle. Das Land ist klein, hat aber eine der größten Fischfangflotten. Riesige schwimmende Fischfabriken sind für Taiwan auf den Weltmeeren unterwegs.
Haifischflossensuppe gilt in der traditionellen chinesischen Küche als kostbare Delikatesse. Wer was auf sich hält, serviert sie beim Hochzeitsbankett. Einmal habe ich sie bei der Gelegenheit auch probiert – eine glibberige Masse, die eigentlich nach gar nichts schmeckt. Ich glaube, ich habe die Schüssel nicht einmal geleert. Zum Glück wollen viele junge Taiwaner diese Tradition nicht mehr fortführen.
Wie in China, Hongkong oder Singapur sitzen in Taiwan aber noch immer viele mögliche Abnehmer. Und Taiwans Fischereiflotte ist mit am fleißigsten dabei, den hochentwickelten Ozean-Raubtieren den Rest zu geben.
Bericht im ARD-Weltspiegel
(Video in der ARD-Mediathek, auch zum Download / Infos zum Nachlesen)
Grund genug, dass meine Kollegen vom ARD-Studio Tokio über dieses Thema berichteten. Über ein Jahr lang war ich im Vorfeld damit beschäftigt gewesen, zu dem Thema zu recherchieren und mögliche Gesprächspartner zu finden. Die Fischer waren misstrauisch – sie hatten schon Erfahrungen mit den kritischen Berichten westlicher Medien gemacht.
Am Ende unterstützten die zuständigen Behörden uns doch, denn sie konnten auf ein neues Gesetz hinweisen: Es ist Taiwans Fischern mittlerweile verboten, Haien noch auf See die Flossen abzuschneiden und den Körper wieder über Bord zu werfen.
Als erstes Land Asiens hat Taiwan das sogenannte „Finning“ verboten. Weil der ganze Fisch viel mehr Lagerraum einnimmt als die Flossen, sollen die Fischer weniger fangen. Das löst das Problem zwar nicht, ist aber zumindest ein kleiner Schritt in die richtige Richtung.
Ein Problem besteht nach wie vor: Ein sehr großer Teil des Fangs wird von taiwanischen Schiffen in Drittländern entladen. Dort gilt dieses Gesetz nicht, und dort schert man sich auch nicht darum. Es kann deswegen nur ein Anfang sein.
Dreh im Hafen von Kaohsiung
Wie funktioniert das in der Praxis? Im Morgengrauen machten wir uns mit Kamerateam auf zum größten Fischereihafen in Südtaiwan. Dort herrschte Schlachthofatmosphäre.
Die Arbeiter hoben mit Kränen tausende tiefgekühlte Haikörper aus den Frachträumen der Schiffe. Von minus 30 zu plus 30 Grad.
Am Kai schlugen sie ihnen direkt auf dem Beton mit Hackmessern die Flossen ab und warfen sie auf große Haufen, die per Bulldozer zusammengefahren wurden. So ging es den ganzen Tag lang.
Kaum zu glauben, dass diese Flossen mal teuer verkauft werden sollen. Das restliche Hai-Fleisch gilt übrigens als minderwertig und erzielt keine hohen Preise. Es wird zum Beispiel zu Tempura verarbeitet. Vielleicht auch zu Tierfutter.
Dies war nur ein einziger Hafen an einem beliebigen Tag, doch die schiere Masse der toten Körper und die Art, wie sie behandelt werden als ginge es um Steinbrocken und nicht um vor kurzem noch lebendige Wesen, hat mir schwer zu denken gegeben.
Ob es um Flossen geht oder um ganze Fische, um Haie oder andere Arten, es kann mit unserer Massentierhaltung und –fischerei einfach nicht so weiter gehen. Man muss kein Veganer sein (und ich bin es sicher nicht), um zu verstehen, dass Nachhaltigkeit keine schöngeistige Spinnerei ist, sondern eine verdammte Notwendigkeit, wenn wir auf diesem Planeten auch in Zukunft zurecht kommen wollen.
Weitere Schauplätze für den Dreh
Wir filmten in Kaohsiung auch Dächer, auf denen die Flossen zu tausenden in der Sonne dörren, bevor sie weiterverkauft werden.
Wir fanden ein einfaches Restaurant, wo Haifischflossen-Suppe das Stammgericht ist.
Und wir hatten sogar eine Kamera-Drohne im Einsatz, um den Überblick zu bekommen.
ARD-Berichte aus Taiwan
In den vergangenen Jahren habe ich dem ARD-Team aus dem für Taiwan zuständigen Studio Tokio schon bei anderen Gelegenheiten geholfen. Hier eine Übersicht:
Noch mehr Hai-Fotos aus Taiwan
Hier noch einige Bilder vom Dreh, die das Weltspiegel-Team auf seine Facebookseite gestellt hat:
https://www.facebook.com/media/set/?set=a.10152533901303886.1073741853.49633993885
Wie fanden Sie den Bericht? Wird Haifischflossen-Suppe in Taiwan bald der Vergangenheit angehören?
3 Antworten
Grausam… In Taiwan habe ich keine Haifischsuppe gesehen, jedoch habe ich in Chinatown in Bangkok eine gegessen. Zu diesem Zeitpunkt war mir die Problematik noch nicht bewusst. Leider bin ich erst kurz darauf aufmerksam geworden.
Gut, dass ein Umdenken zumindest in Taiwan stattfindet!
Der Beitrag war ok, denn immerhin wurde auch kurz gezeigt, dass sich auch Taiwaner für ein Ende der Haifischflossensuppe einsetzen.
Schade finde ich allerdings, dass es bisher im Weltspiegel keinen Beitrag über das m. E. wichtigere Thema der Sunflower-Bewegung gab.
Ohne Kritik an dem vorliegenden Beitrag üben zu wollen liegt das wahrscheinlich daran, dass oft nur „schlechte“ Nachrichten über die asiatischen Länder gesendet werden.
Zum einen kann sich (oder möchte) der normale deutsche Zuschauer so wahrscheinlich denken, dass „die da” ja alle so etwas schlimmes machen. Demgegenüber sind wahrscheinlich gute Nachrichten über Demokratiebestrebungen in einem derart unwichtigen Land wie Taiwan wahrscheinlich für den normalen Zuschauer unglaublich langweilig.
Daher sind die meisten Nachrichten über Taiwan oder auch Japan im Normalfall fast immer Themen über „verrückte” Sachen (also einfach konsumierbarer (und erstellbarer) Boulevard), über schlechte Politiker (sowas gibt es in Deutschland nicht!) oder andere gesellschaftliche Missstände. Über positive Ereignisse (oder Sachen, wo man sich in Deutschland ruhig mal etwas von abschauen könnte) wird dann eher nicht berichtet.