Reise nach Kaohsiung
Es wird Zeit, die Hauptstadt-Brille abzunehmen. Meist berichte ich ja von meinen Erfahrungen in Taipeh, weil ich nun mal hier lebe. Es gibt aber in Taiwan noch eine Metropole mit 1,5 Millionen Einwohnern, prima Wetter, einer Uni am Strand und einem größeren Containerhafen als Hamburg. Nur der Name dürfte in Deutschland wenig bekannt sein: Willkommen in Kaohsiung.
Eine schmutzige Vergangenheit
So wie Taipeh den Norden Taiwans prägt, ist Kaohsiung (Aussprache etwa: Gao-Schiong) das Zentrum des Südens. Früher fast eine Tagesreise entfernt, sind dank Taiwans Hochgeschwindigkeitszug die 300 Kilometer seit einigen Jahren auf 90 Minuten geschrumpft.
Die Japaner hatten während ihrer Herrschaft Hafen und Industrieanlagen ausgebaut, als Sprungbrett zur weiteren Kolonialisierung Südostasiens. So wurde Kaohsiung zum Zentrum von Taiwans Schwerindustrie: Stahl- und Aluminiumswerke, Chemiefabriken und Werften siedelte die Regierung hier an. Noch bis in die neunziger Jahre muss die Stadt ein trostloser, verschmutzter Moloch gewesen sein, um den Touristen einen weiten Bogen machten. Das hat sich gründlich geändert.
Das neue Kaohsiung
Es ist ein bisschen wie im Ruhrgebiet: Fahre ich heute nach Kaohsiung, kann ich sehen, was Strukturwandel bedeutet. Die Schwerindustrie ist zum großen Teil nach China abgewandert, die Luft wieder klar, und vorausdenkende Bürgermeister haben der Stadt ein neues Antlitz verpasst. Quer durchs Stadtzentrum fließt der „Liebesfluss“. Vor weniger als 20 Jahren noch ein stinkender Abwasserkanal, ist er heute mit Ausflugsschiffen und begrünten Uferparks eine Touristenattraktion.
Hier fährt Taiwans einzige U-Bahn neben Taipeh, alte Industriebrachen wurden zu Kulturparks, und mitten in der Stadt leben auf einem bewaldeten Berg wilde Affen. Manchmal machen sie den Campus der benachbarten National Sun Yatsen University unsicher und klauen den Studenten das Essen vom Tisch.
Um die SYS University geht es auch in meinem Beitrag übers Chinesisch lernen in Taiwan.
Die Studenten trösten sich dann vielleicht damit, dass ihre Hochschule einen eigenen Strand hat. Hier wird auch gebadet, wenn wir in Taipeh im Dauerregen frösteln. Das Wetter in Kaohsiung ist einfach angenehmer: 25 Grad Durchschnittstemperatur und mehr als 2000 Stunden Sonnenschein im Jahr. Wenn ich hier aus dem Zug steige, merke ich immer wieder, dass ich mich viel zu dick angezogen habe.
Großer Auftritt für Kaohsiung: Die World Games 2009
Das neue Kaohsiung präsentierte sich der Welt mit den World Games 2009 – quasi den olympischen Spielen für nicht-olympische Sportarten.
Zum Drachenbootrennen, Tauziehen oder Kanupolo waren damals auch mehr als 150 deutsche Athleten angereist, und wenn ich sie richtig verstanden habe, hat es den meisten gut gefallen.
Der größte Hafen Taiwans
Der Containerhafen von Kaohsiung, gemessen am Umschlag vor ein paar Jahren noch der sechstgrößte der Welt, war 2010 auf Platz zwölf zurückgefallen. Damit liegt er aber immer noch vor Antwerpen und Hamburg.
Mit der Hansestadt verbindet ihn übrigens eine Hafenpartnerschaft, die aber ziemlich eingeschlafen ist – schließlich hat Hamburg auch eine Städtefreundschaft mit Chinas Shanghai, da hält man sich in Sachen Taiwan wohl lieber zurück.
Ein besonderer Anblick bietet sich an der Spitze der lang gestreckten Insel, die das Hafenbecken abschirmt. Die Ausfahrt ins Meer ist so eng, dass die Containerriesen fast in Reichweite vorbeischippern – da kann selbst der Hamburger Elbstrand nicht mithalten.
Übrigens wird wohl keine andere Stadt in Taiwan so häufig falsch geschrieben wie Kaohsiung. Während der Name in der Hanyu Pinyin-Umschrift „gāoxióng“ lautet, liest man auch häufig „Kaoshiung“.
Dieser Text erschien auch im Rahmen meiner Taiwan-Kolumne in der heimatlichen Lokalzeitung.
3 Antworten
Ist der Name nicht richtig geschrieben, aber halt mit „Wades-Giles“ statt „Hanyu Pinyin“? „Taipei“ muesste ja eigentlich auch „Taibei“ geschrieben werden, aber man hat sich halt an diese Schreibweise gewoehnt …
Hanyu Pinyin: gāoxióng
Wade-Giles und übliche Schreibweise: Kaohsiung
Falsch: Kaoshiung
Der Fehler liegt im Detail… so wie mit „Shimen“ statt „Hsimen“.