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Taiwan: Corona-Erfolge sprechen sich weiter rum

Maskenkauf in einer Apotheke in Taipeh

Während man sich in Deutschland gerade an die zweite Welle gewöhnt, schafft Taiwan es nach wie vor, das Coronavirus fern- und kleinzuhalten. Wie lebt es sich derzeit fast ohne Corona in Taiwan? Und was berichtet die ARD in einer großen Dokumentation, für die wir den Ex-Vizepräsidenten getroffen haben? Zeit für ein Update.

Im März und April hatte es in Deutschland ja eine erste Welle von Berichten (Verzeihung für den Kalauer) über Taiwan und Corona gegeben, die ich hier im Blog festgehalten habe.

Danach hatte es sich dann ein wenig beruhigt. Das lag wohl an Gewöhnungseffekten, einer verbesserten Lage in Deutschland, und dann kamen auch noch Sommer und Urlaubszeit.

Auch in Taiwan entspannte man sich und hatte Lust auf Aktionen wie die Flugreise-Simulation am Songshan-Flughafen (ohne Abheben), über die wir fürs ARD Mittagsmagazin berichteten. Eher sinnfrei, brachte Taiwan aber international Aufmerksamkeit, und alle Beteiligten hatten Spaß.

Auch die Öffnung der Baseball-Stadien für Zuschauer (als erste Profiliga weltweit) war einen Bericht wert.

Corona in Taiwan: Meine persönliche Sicht der Dinge

Jetzt, wo in Deutschland die täglichen Neuinfektionen wieder über 1000 liegen, fällt um so mehr auf, dass es in Taiwan insgesamt erst weniger als 500 Fälle gab. So konnte ich für das Rheinneckarblog, vier Monate nach meinem ersten Erlebnisbericht, noch einmal ausführlich über Taiwan schreiben. Titel: Aufgepasst Deutschland: Wie Taiwan Corona keine Chance gibt.

Bitte lesen! Ich konnte da mal wieder persönlicher werden und stärker ins Detail gehen, als es mir in den meisten Medienberichten möglich ist.

Kurz nachdem ich das schrieb ist hier nun doch noch eine Debatte darum entbrannt, ob Taiwan nicht mehr testen sollte, statt sich rein auf 14 Tage Quarantäne zu verlassen. Die Lokalregierung von Changhua hatte asymptomatische Quarantäne-Insassen getestet, obwohl die geltenden Regeln das explizit nicht vorsehen, und war so auf mindestens einen Infektionsfall gestoßen. Nicht nur die Opposition forderte daraufhin, das Testen auszuweiten. Der Gesundheitsminister erklärte mit anschaulichen Zahlen, warum es aus Sicht der Regierung sicherer und sinnvoller ist, die Quarantäne durchzuziehen und nur Personen mit Symptomen zu testen.

Masken wieder frei verkäuflich

Maskenkauf in einer Apotheke in Taipeh

Ein kurzer Exkurs zu Masken in Taiwan: Sie gehören natürlich nach wie vor zum Alltag, und sie sind keine Mangelware mehr. Im Februar hatte die Regierung ja durch rationierte Abgabe und Hochfahren der heimischen Produktion dafür gesorgt hatte, dass die Versorgung mit Einwegmasken gesichert war. Darum ging es auch in meinem ersten Bericht fürs Rheinneckarblog.

Im Juni war die Lage dann so entspannt, dass Masken nun auch wieder auf dem freien Markt verkauft werden. Das mit der Krankenversicherungskarte verknüpfte Rationierungssystem läuft parallel weiter: Pro Person neun Masken alle 14 Tage, Stückpreis 15 Cent.

Taiwan und „Der Zug der Seuche“ in der ARD

„Was Deutschland von Taiwan lernen kann“ – diese Überschrift stand gerade auch über einem Beitrag auf tagesschau.de, der dort natürlich viel gelesen und geteilt wurde.

Dieser Text, und das dazugehörige Video aus Taiwan, sind Teil einer längeren Reportage namens „Der Zug der Seuche“, in der es um eine ganze Reihe Länder geht – darunter auch Taiwan. Ich hatte dafür hier in Taipeh gedreht (dazu unten mehr).

Die komplette Dokumentation läuft am 24.8. in der ARD und wurde bereits zuvor in der Mediathek online gestellt. Um Taiwan geht es von ca. 11:30 bis 14:30.

Auch in dem kurzen Video bei tagesschau.de lernen Sie Lin Mei-chun kennen, eine Stadtteilbürgermeisterin (Lizhang) aus dem Xinyi-Bezirk von Taipeh. Wir haben sie einen Vormittag lang begleitet, als sie einen Anwohner besuchte, der nach einer USA-Reise in Heimquarantäne war, zum Maskenkaufen in der Apotheke und in ihrem Büro.

Stadtteilbürgermeisterin (Lizhang) Lin Mei-chun (r.) in ihrem Büro

Leider bestätigen einige Reaktionen im Kommentarbereich bei tagesschau.de, dass die Kluft zwischen Wissen und Meinung bei Taiwan noch immer recht groß sein kann.

Kommentar, der Taiwan als kollektivistische Gesellschaft abtut

Ein Stück Überwachungsstaat? Tracking in Taiwan

Nicht jedem ist ganz wohl bei der Passage, als Herr Mao, der in Quarantäne sitzt, sagt: Er dürfe die Wohnung noch verlassen, weil sein Handy geortet werde und er sofort einen Anruf von der Polizei bekäme.

Tatsächlich gehört in der Quarantäne die permanente Ortung des Handys durch Funkzellenabfrage (also ohne App oder GPS) dazu. Damit niemand die Unterkunft verlässt und sein Telefon einfach zuhause lässt, gibt es unregelmäßige Kontrollanrufe. Die Taiwaner akzeptieren so eine elektronische Fußfessel, weil sie zeitlich begrenzt ist und allen anderen, die gerade nicht in Quarantäne sind, ein normales Leben ermöglicht.

Audrey Tang und Andreas Cichowicz
Ende 2019 trafen wir Audrey Tang für ein Interview mit NDR-Chefredakteur Andreas Cichowicz.

„Unser Oberstes Gericht hat entschieden, dass zur Seuchenbekämpfung die Bewegungsfreiheit eingeschränkt werden darf“, erklärte mir dazu neulich Taiwans Digitalministerin Audrey Tang, über die ich dieses Porträt für den „Focus“ schrieb. Die brillante Programmiererin und Hackerin, die in Deutschland wohl Mitglied im Chaos Computer Club wäre, ist sicher keine Überwachungsfanatikerin. „Da ist es doch besser, über den Digital Fence 14 Tage lang das Handy zu orten, als Menschen physisch einzusperren.“

Vorsorge gegen Corona in Taiwan: Interview mit Ex-Vizepräsident Chen Chien-jen

In der Reportage kommt auch Chen Chien-jen zu Wort: Renommierter Epidemiologe, Taiwans Gesundheitsminister während der ersten SARS-Krise 2003, Vizepräsident bis Mai 2020. Wir haben ihn in seinem Büro in der Academia Sinica getroffen – mit einem etwas größeren Team, damit der Aufbau des Lichts, das Verrücken von Möbeln usw. schneller gingen.

Chen war im Gespräch tatsächlich so geduldig und freundlich, wie es seinem öffentlichen Image entspricht (er galt als der ständig lächelnde Vizepräsident). Natürlich haben wir uns viel länger und über viel mehr Aspekte unterhalten als die paar Sekunden, die in der Dokumentation Platz gefunden haben. Er kritisierte z.B. auch ziemlich deutlich die WHO für ihren Umgang mit Taiwan und China in der Krise. Ich hoffe, dass dieses Gespräch in der ARD noch anderweitig Verwendung finden wird.

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Klaus Bardenhagen

Klaus Bardenhagen

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