Ich bin zwar ausgebildeter Fernsehreporter, selbst aber eher kamerascheu. Doch für ein ausführliches Gespräch über Taiwan und Corona habe ich meine Zurückhaltung über Bord geworfen. Und dann haben wir noch Rockstar-Politiker Freddy Lim getroffen.
Es ist noch nicht lange her, da war Webcam-Optik verpönt, galt als amateurhaft und nach Fernseh-Maßstäben nicht sendefähig. Die Auswirkungen der Coronavirus-Epidemie haben das, wie so vieles, komplett über den Haufen geworfen. Zoom, Skype & Co. sind nun in vielen Situationen komplett akzeptiert. Auch für Interviews.
Corona in Taiwan: Anfrage zum Videogespräch
Hätte ich, der „Taiwanreporter“, Lust auf ein Interview vor der Kamera? Als jemand von der Konrad-Adenauer-Stiftung fragte, zu der ich noch Beziehungen aus meinem Studium habe, habe ich kurz gezögert – und dann zugesagt. Denn zum einen lasse ich ungern eine Gelegenheit aus, Taiwan in Deutschland bekannter zu machen. Zum anderen wollte ich diese Gelegenheit nutzen, zu trainieren.

Das wichtigste in so einer Situation ist ja: Nie die Augen abwenden, und möglichst einen durchgängigen Gesichtsausdruck zeigen – alles andere irritiert. Ob mir das gelungen ist? Nun ja, urteilen Sie selbst.
Es ging in dem Gespräch primär um Taiwans Corona-Management und die mittlerweile oft gestellte Frage „Kann Deutschland da etwas lernen?“ Aber auch um das Leben in Taiwan generell, das Verhältnis zu China und einiges andere.
Hier ist eine Kurzfassung unseres Gesprächs, mit meinen wichtigsten Aussagen in Sachen Corona:
„Gute Vorbereitung und strikte Quarantäne“: Klaus Bardenhagen aka taiwanreporter erzählt, warum Taiwan bei mehr als 23…
Posted by Politische Bildung Bonn – Konrad Adenauer Stiftung on Wednesday, August 26, 2020
Und hier ist das komplette, 50-minütige Gespräch. Es beginnt im Video etwa bei der Vier-Minuten-Marke.
Englisches Interview mit Freddy Lim
Er ist auch nach mehr als vier Jahren im Parlament eine der interessantesten Gestalten in Taiwans Politik: Freddy Lim (林昶佐), Frontmann der Metal-Band „Chthonic“. Als er 2016 einen Wahlkreis in Taipeh gewann und als Abgeordneter der New Power Party (NPP) ins Parlament einzog, war das eine Sensation. 2020 dann gelang ihm die Wiederwahl als Parteiloser. Er hatte der von ihm von mitgegründeten NPP mittlerweile den Rücken gekehrt.
Lim sitzt weiterhin im Verteidigungsausschuss und engagiert sich besonders für Fragen, die Taiwans Identität und die Vergangenheitsbewältigung („transitional justice“) betreffen. Als der Taiwan Foreign Correspondents Club ihn neulich zum (größtenteils auf Englisch geführten) Gespräch traf, nutzte ich die Gelegenheit, meine Kamera mitlaufen zu lassen.
Meine Frage an Freddy Lim war: Wie realistisch ist es als fraktionsloser Abgeordneter, Gesetzesvorhaben durchzubringen? Und was sind seine Prioritäten in dieser Legislaturperiode? Die Antworten darauf gibt es ab 39:15.
Weitere Sprungmarken direkt zu den Antworten (auf Englisch, Verzeihung):
- 00:32 Chthonic, fans and politics. The key year 2014 and consequences from the Sunflower Movement
- 12:28 The Ma Ying-jeou administration and its China fallacies
- 17:04 Taiwans’s roadmap towards more international recognition. Preparing for when opportunity comes
- 23:33 How can Taiwan further improve its international standing. Aboriginal culture and progressivism
- 27:25 The Taiwanese language vs. Mandarin. Spelling of names in official documents. Why „Lim“ and not „Lin“
- 32:44 Should the ROC flag be changed. How Freddy takes down the flag and Sun Yat-sen pictures in parliament
- 35:45 Political asylum and doing more for Hong Kong’s pro democracy protesters
- 39:14 (My question) Freddy’s legislative priorities: LGBTQ marriage issues, more transitional justice. Transparence and Open Parliament. Young people’s frustration with politics (answer partly in Chinese)
- 47:16 Economic develeopment: What became of Tsai Ing-wen’s 5+2 plan? (answer partly in Chinese)
Freddy Lim vor seiner Wahl 2016
Für mich ist es jedesmal interessant, Lim wieder zu treffen – denn ich hatte ihn schon vor der Kamera, als er noch ein Außenseiterkandidat war. 2015 traf ich ihn für diesen Bericht, der kurz vor der Wahl Anfang 2016 dann bei „Kulturzeit“ auf 3sat lief.
Das könnte auch interessant sein:
- Einmal alles: Taiwan-Nachholbedarf
- Ma Ying-jeou calls Taiwan’s society „purely ethnic Chinese soil“
- Watch Ma Ying-jeou’s press conference in English
- Das große Taiwan-Spezial: Weltspiegel in der ARD
Powered by YARPP.