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Mütter in Taiwan spannen nach der Geburt erst mal richtig aus

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Zuo Yuezi: Wenn Mami den Monat absitzt

Das Essen wird ins Zimmer gebracht, Besucher müssen Atemschutzmasken tragen, und wehe, man wäscht sich die Haare: So laufen in Taiwan die ersten Wochen nach der Geburt.

Baby Boomer waren gestern. Wie Deutschland hat auch Taiwan mittlerweile eine extrem niedrige Geburtenrate. In den Fünfzigern waren fünf oder mehr Kinder noch ganz normal (im Kalten Krieg wurden Soldaten gebraucht), in den Achtzigern waren es eher zwei, und seit der Jahrtausendwende sind die Zahlen abgestürzt.

Zwei kleine Kinder in Taiwan

Mit einer Ein-Kind-Politik wie in China hat das nichts zu tun, im Gegenteil – die Regierung würde gern mehr Nachwuchs sehen.

Die Gründe fürs Geburtentief ähneln ebenfalls den deutschen: Spätere Heirat, mehr berufstätige Frauen, Schwierigkeiten mit der Kinderbetreuung, generelle Zukunftssorgen („Wird es unseren Kindern noch so gut gehen?“).

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Natürlich sollte Frauen die Entscheidung fürs Kind so leicht wie möglich gemacht werden. Die Realität hinkt den Gesetzen manchmal hinterher: Mütter bekommen in Taiwan acht Wochen lang ihr Gehalt weiter gezahlt. Daran schließen sich bis zu zwei Jahre Babypause an. Die meisten schöpfen diesen Rahmen aber nicht annähernd aus, denn auch wenn die Rechtslage eindeutig ist, viele Firmen machen ihnen klar: Dann brauchst Du gar nicht erst zurückzukommen.

Die Regierung hat dieses Problem erkannt, droht Firmen mit Strafen, hat eine Beschwerdehotline eingerichtet, und nach neueren Umfragen scheint die Lage sich etwas entspannt zu haben.

Ein Monat Erholung

Wenigstens unmittelbar nach der Geburt können Taiwans Mütter entspannen. Es gibt hier einen chinesischen Brauch, der auch für viele im Westen attraktiv sein könnte: Zuo Yuezi (坐月子), was sich übersetzen ließe mit „den Monat absitzen“. Das Prinzip: Die Mutter soll sich nach den Strapazen der Geburt regenerieren und wieder zu Kräften kommen, körperlich und geistig.

Taiwans Mütter sind nicht wenige Tage nach der Geburt wieder auf Achse, sondern ziehen sich zurück und lassen sich umsorgen – vier oder auch sechs Wochen lang.

Baby auf der Säuglingsstation

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Schonung ist wichtig. Jegliche körperliche Belastung ist verboten, sogar Treppensteigen. Um Erkältungen zu vermeiden, verzichten Mütter, die es ganz traditionell nehmen, sogar aufs Haarewaschen und Duschen. Vermutlich soll das auch den Ehemann davon abhalten, zu schnell wieder zudringlich zu werden.

Ganz zentral sind spezielle Gerichte, die den Körper wieder aufpäppeln sollen, darunter Hühner- und Lebersuppe. Die Ernährung richtet sich nach Prinzipien der traditionellen chinesischen Medizin, wonach im Körper ein Gleichgewicht zwischen „Hitze“ und „Kälte“ herrschen muss.

Wohnen mit Rundumbetreuung

Die Betreuung war früher vor allem Sache der Schwiegermutter, die sowieso für einen Großteil der Kindererziehung zuständig war. So ein enges Zusammenleben ist heute nicht mehr in allen Familien gefragt.

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Daher hat sich eine ganze Aufpäppel-Industrie entwickelt: Man kann Zuo Yuezi-Dienste nach Hause bestellen, oder sich gleich in ein spezielles Rundumbetreuungs-Wohnzentrum einmieten. Diese oft noblen und nicht billigen Häuser sind quasi Kurheime mit angeschlossener Säuglingsstation.

Baby nur durch Glas

Wann immer die Eltern ihre Ruhe wollen, versorgen Angestellte das Baby. Beim Besuch von Freunden habe ich erlebt, wie die Jungfamilie von Besucher abgeschirmt wurde: Wir mussten Atemschutzmasken aus Papier tragen und durften das Kind nur durch eine Scheibe betrachten.

Die meisten Taiwanerinnen schwören auf Zuo Yuezi und sind froh über die seltene Gelegenheit, mal richtig auszuspannen. Viele sagen auch, dieser Brauch sei ein Grund dafür, dass Taiwanerinnen nach der Schwangerschaft schlanke Figur und jugendliches Aussehen eher behalten als Westlerinnen.

Tatsächlich fallen mir oft junge Frauen mit Kinderwagen auf, denen man das Mama-Sein nicht unbedingt ansieht. Aber vielleicht sind das auch einfach die Gene.

Könnte diese Tradition sich auch in Deutschland einbürgern?

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Klaus Bardenhagen

Klaus Bardenhagen

Comments

Eine Antwort

  1. Meine Schwiegertochter erklärte mir, dass die taiwanischen Frauen deswegen im Alter so gut aussehen, weil sie nach der Geburt sich im Mütterhotel erholen.

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