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Der überraschende Erfolg von Taiwans streikenden Flugbegleiterinnen

china airlines strike

Arbeitskampf auf dem Flughafen

Deutsche haben ja Erfahrung mit Streiks, die den Verkehr lahm legen. Wenn Piloten oder Lokführer für bessere Arbeitsbedingungen protestieren, schwanken die Reaktionen zwischen „das ist ihr gutes Recht“ und „Geiselnahme der Passagiere“. Genau so war es vor gut einer Woche in Taiwan.

China Airlines Personal

Mit dem lächelnden Personal von den Werbefotos hatte das nichts mehr zu tun: Am internationalen Flughafen Taipei-Taoyuan ging es chaotisch zu. Streikende Angestellte blockierten den Check-in-Schalter von China Airlines, Taiwans größter Fluggesellschaft.

Flüge wurden gestrichen, aufgebrachte Fluggäste mussten beruhigt und umgeleitet werden. Hunderte weitere Flugbegleiterinnen (auch Taiwans Kabinenpersonal ist meist weiblich) protestierten zeitgleich vor dem Firmenhauptquartier in Taipeh.

Ihre Forderungen richteten sich gegen verkappte Sparmaßnahmen der Airline zu Lasten des Personals. Mehr arbeiten für weniger Geld, darauf lief es hinaus. Schon seit langer Zeit weigerte sich die Gewerkschaft der Flugbegleiterinnen mit 2500 Mitgliedern, die bitteren Pillen zu schlucken.

Doch das Management der Fluglinie, die mehrheitlich in staatlicher Hand ist, machte zunächst keine Zugeständnisse. Vielleicht hatten sie nicht damit gerechnet, dass es ernst wird.

Streik ist noch immer ungewöhnlich

Arbeitskampf und selbstbewusste Forderungen der Belegschaft, das ist in Taiwan weniger selbstverständlich als in Deutschland oder gar Frankreich. Über Jahrzehnte war alle Politik danach ausgerichtet, den Unternehmen beim ungebremsten Wachstum zu helfen. Zum Wohl der ganzen Gesellschaft, hieß es, denn auch wenn Angestellte und Arbeiter hart schuften müssen, am Ende zahlt das Wirtschaftswunder sich für alle aus.

Diese Ideologie ist auch in Taiwan schon längst an ihre Grenzen gestoßen. Die Profite sickern nicht durch zu den Beschäftigten, Löhne stagnieren. Ewiggestrige Unternehmer erwarten noch immer Aufopferung, Überstunden und dankbares Erdulden, als hätten Taiwan und die (Arbeits-)Welt sich seit 40 Jahren nicht weiter entwickelt.

Gewerkschaften sind traditionell schwach, die meisten wurden einst „von oben“ gegründet und kontrolliert. „Harmonie“ ist ein Ziel, das in Taiwan vor allem von denen gern ins Spiel gebracht wird, die vom gegenwärtigen System am meisten profitieren.

Flugbegleiter blieben hart – mit Erfolg

Bei den Flugbegleiterinnen und ihrer unabhängig agierenden Gewerkschaft ging das Kalkül nicht auf. Mehr als 150 Flüge ließen sie ausfallen, etwa 20.000 Passagiere waren betroffen. Unschöne Meldungen und Bilder für die Airline.

Nach weniger als 48 Stunden knickte sie ein – wohl auch, weil Taiwans neue Regierung Verständnis für die Forderungen erkennen ließ. Der Chef wurde ausgetauscht, man ging auf alle Forderungen ein. Sieg auf ganzer Linie für die Streikenden.

Die Unternehmen beklagen sich nun, eine Büchse der Pandora sei geöffnet worden. Bei China Airlines hing sich die „offizielle“ Gewerkschaft an den Erfolg an, forderte plötzlich ebenfalls mehr Geld z.B. für das Bodenpersonal. Vorher hatte sie die Flugbegleiterinnen für ihre „erpresserischen“ Methoden kritisiert.

Umstrittene Arbeitszeiten und Feiertage

Eine andere aktuelle Diskussion dreht sich um Arbeitszeiten und freie Tage. Taiwaner arbeiten pro Jahr mit 2100 Stunden gut 50% länger als Deutsche. Es gibt wenige offizielle Feiertage, viele Überstunden, oft noch die Sechs-Tage-Woche.

Der gesetzliche Urlaubsanspruch ist erschreckend: Im ersten Jahr in einer Firma null Tage, im zweiten sieben, dann langsam mehr. Ich bin froh, dass ich Freiberufler bin.

Nun sollen die Arbeitszeiten gesetzlich neu geregelt werden. Dabei gab es langes Hickhack um sieben Feiertage, die erst arbeitsfrei sein bzw. bleiben sollten, dann doch nicht mehr.

Umstrittene Feiertage Taiwan

Die Wirtschaftslobby machte da kräftig Druck auf die Politik. Das hat Tradition. Sicher ist es nicht verkehrt, wenn auf Arbeitnehmerseite ein Gegengewicht entsteht. Von gesetzlich verankerter betrieblicher Mitbestimmung wie in Deutschland bleibt Taiwan trotzdem noch ein gutes Stück entfernt.

Was glauben Sie? Haben Gewerkschaften in Taiwan Zukunft?

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Klaus Bardenhagen

Klaus Bardenhagen

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