Von Taiwan zur Stippvisite nach Shanghai
Als neulich der erste Taifun des Jahres über Taiwan hinwegzog, Bäume entwurzelte und Felder verwüstete, konnte ich 700 Kilometer weiter nördlich trockenen Fußes eine für mich neue Welt erkunden: Zum ersten Mal war ich in Shanghai. Und es war ganz anders, als ich erwartet hatte.
Ein Seminar der Konrad-Adenauer-Stiftung hatte mich nach Shanghai geführt. Eine Woche lang half ich jeweils neun deutschen und chinesischen Nachwuchsjournalisten dabei, gemeinsam eine Zeitschrift zum Thema „Nachhaltigkeit“ zu schreiben. Eine tolle kulturübergreifende Erfahrung und ein beeindruckender Beleg dafür, wie durch Schweiß und Inspiration in kurzer Zeit aus dem Nichts ein greifbares Ergebnis entstehen kann. Sobald unser Magazin erschienen ist, werde ich auch eine PDF-Datei hochladen.
Shanghai also. Natürlich hatte ich vorher eine Menge Klischees im Kopf – wie das so ist, wenn man einen Ort noch nie bereist hat. Auch wenn ich die meiste Zeit im Seminarraum verbringen musste, konnte ich mir zum Glück ein paar eigene Eindrücke bilden.
Die Zeit in Shanghai erinnerten mich an meinen Abstecher nach Hongkong vor fünf Jahren, kurz vor dem Ende meiner allerersten Taiwan-Reise. Auch damals waren mir viele kleine und größere Unterschiede zwischen den Städten aufgefallen.
Lesetipp: Mein Blogeintrag aus Hongkong 2008
Dies sind meine Shanghai-Impressionen im Vergleich zu Taipeh:
Shanghai ist riesig.
Im Ballungsraum Taipeh leben außer mir noch sechs oder sieben Millionen. Aus deutscher Sicht ist es hier schon ganz schön voll. In Shanghai leben 23 Millionen – so viele wie in ganz Taiwan.
Taipeh ist eine Großstadt, Shanghai ist eine Mega-City. Wenn man im Taxi über die Hochstraßen saust, die kreuz und quer durch die Stadt führen, ziehen draußen schon mal eine Stunde lang Hochhäuser vorbei, und man hat nicht das Gefühl, das Stadtzentrum hinter sich zu lassen.
In Taipeh ist ein Gebäude mit 20 Stockwerken schon auffallend hoch. In Shanghai würde niemand auch nur einen zweiten Blick darauf verschwenden.
Nur das Taipei 101 mit seinen gut 500 Metern würde in der Wolkenkratzer-Kulisse von Pudong noch eine gute Figur abgeben. Der noch im Bau befindliche Shanghai Tower (auf dem Foto rechts, mit Kränen auf der Spitze) würde es aber um mehr als 100 Meter überragen.
Shanghai ist international.
Hier in Taipeh falle ich als westlicher Ausländer überall auf. In Shanghai gehören „Laowai“ (das sagen sie dort statt „Waiguoren“) als Touristen und Geschäftsleute viel selbstverständlicher zum Straßenbild. Und im Nachtleben stellen sie in den Warteschlangen für angesagte Bars sogar die absolute Mehrheit.
Shanghai hat einen Heiratsmarkt.
Chinesische Eltern greifen zur Selbsthilfe: Am Platz des Volkes, dem zentralen Park im Herzen der Stadt, stehen im dichten Gedrängel dutzende Mütter und Väter wie auf einem Basar. Sie preisen keine Waren an, sondern ihre Kinder. Frauen, die sich der 30 nähern, gelten ja als schwer vermittelbar (Stichwort 剩女 oder „Restefrauen“). Gleichzeitig finden viele Männer keine Partnerin.
Geschlecht, Alter, Größe und Berufsausbildung – das sind die wichtigsten Daten auf den Zetteln, die sie den Passanten präsentieren. Keine Fotos. Einige legen aufgespannte Regenschirme auf den Boden, an denen sie ihre Kontakt-Anzeigen befestigen. Eisern halten sie ihre Positionen.
Ob die Kinder wissen, dass ihre Eltern hier nach Ehepartnern suchen?
Ob sie damit einverstanden sind?
Ob diese Methode wirklich Erfolge bringt?
Sicher ist nur: In Taipeh gibt es keine solchen Heiratsmärkte. Der Druck ist hier wohl nicht ganz so groß, das Verhältnis der Geschlechter ausgeglichener als in China, wo als Folge der Ein-Kind-Politik viele Töchter abgetrieben werden. (Solche geschlechtsspezifischen Abtreibungen gibt es in Taiwan auch, aber weniger häufig. Natürlich sind sie illegal.)
Shanghai achtet auf sein Äußeres.
Nicht nur die Glitzer-Glasfassaden der Hochhäuser machen was her. Auch die ganz normalen Plattenbauten hat zumindest mal jemand frisch gestrichen, und keine rostigen Gitterkäfige verunstalten die Fenster. Solche gepflegten Fassaden hatten mich schon in Singapur beeindruckt. Es geht also.
Klima, Regen, Luftverschmutzung? Alles Ausreden. Taipeh, bitte abgucken und nachmachen!
Denn wer aus Deutschland das erste Mal nach Taipeh kommt, muss tief durchatmen. Das äußere Erscheinungsbild der meisten Gebäude hier ist schlicht abschreckend. Historische Gebäude in gutem Zustand sind sowieso eine Seltenheit.
Im Schatten der Wolkenkratzer hat man im ehemaligen französischen Quartier von Shanghai dagegen einige lauschige Gassenviertel erhalten und restauriert.
Erwartet hatte ich eine Designerboutique oder Edel-Bar neben der anderen, doch dort wohnen tatsächlich noch ganz normale Menschen.
Shanghais Verkehr hat andere Probleme.
Scooter gibt es in Shanghai viel weniger als in Taipeh, und meist sind sie elektrisch betrieben. Das Gute daran: Die Bürgersteige werden nicht als Roller-Parkplätze zweckentfremdet. Der Nachteil: Fußgänger hören die E-Scooter nicht, wenn sie heranrauschen. Das ist besonders gefährlich, wenn man grüne Fußgängerampeln überquert – an die halten Rollerfahrer in Shanghai sich nämlich grundsätzlich nicht und fahren einfach durch. Viele Autos übrigens auch. Also lieber dreimal gucken!
Die Helmpflicht hat sich noch nicht bis Shanghai herumgesprochen – ich habe keinen einzigen Fahrer mit Schutzhelm gesehen.
In Shanghai sind die Taiwaner schon lange.
Family Mart-Convenience Stores und 85°C-Coffeeshops gehören auch in Shanghai zum Straßenbild.
Nur wer genau hinsieht, erkennt die Unterschiede auf den Logos: Kurz- statt Langzeichen.
Aber…
…auch in Shanghai gibt es traditionelle Schriftzeichen.
Und zwar ausgerechnet am zentralen Platz des Volkes. Da ist dieses Schild meinem Taiwan-geschulten Blick sofort aufgefallen:
Wie es kommt, was das soll? Keine Ahnung. Unsere chinesischen Begleiter waren selbst verblüfft.
Reisen bildet
So weit also mein kleiner Einblick ins große China. Immerhin: Nun habe ich es selbst erlebt. Irgendwann werde ich bestimmt nach Shanghai zurückkehren, aber rund um Taiwan gibt es noch eine Menge anderer Orte, die auf meiner Reiseliste stehen. Zum Beispiel:
- Vietnam
- Philippinen
- Südkorea
- Indonesien
- Japan
Es gibt viel zu sehen!
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