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Matsu: Vom Kriegs- zum Touristen-Schauplatz und bald zum Spiel-Platz?

Kolumne Matsu

Das Geld hat gesprochen, der Beton kann fließen. Eine Volksabstimmung auf der von Taiwan verwalteten Inselgruppe Matsu hat kürzlich ergeben: Demnächst könnten hier gigantische Spielcasinos und Hotelkomplexe entstehen. Nur etwa 40% Wahlbeteiligung mögen nicht gerade aussagekräftig sein, aber so ist nun mal das Ergebnis. Ganz gut zusammengefasst ist das Thema hier im Asienspiegel.

Aus dem Album Typical architecture on Matsu

Bevor die schöne Natur verschandelt wird, war ich zum Glück vor einiger Zeit noch rechtzeitig auf Matsu, genauer gesagt auf den Hauptinseln Nangan und Beigan. Einst verlief hier eine der heißesten Frontlinien im Kalten Krieg. Keine zwanzig Kilometer sind es von Matsu zur chinesischen Küste, aber verwaltet wird die Inselgruppe von Taiwan, das mehr als 150 Kilometer südöstlich liegt. Nur eine Stunde dauert der Flug von Taipeh.

Aus dem Album Taiwanese Soldiers on Matsu

Schon am Flughafen fällt mir auf, wie viele Soldaten hier unterwegs sind. Seit die nationalchinesischen Truppen bei ihrer Flucht vom Festland 1949 die Inseln als Brückenkopf gehalten hatten, ist das Militär auf Matsu allgegenwärtig. Die jungen Männer in Flecktarn sind zum größten Teil Wehrdienstleistende, die bestimmt lieber irgendwo auf Taiwan stationiert wären, wo es in der Freizeit mehr Unterhaltung gibt als nur eine Handvoll Internetcafés und Karaoke-Bars. Die 7/11-Minimärkte in den Dörfern sind ihre Treffpunkte.

Aus dem Album Taiwanese Soldiers on Matsu

Wenigstens müssen sie sich keine Sorgen über feindlichen Artilleriebeschuss machen. Derzeit versucht China, Taiwan mit wirtschaftlichen Mitteln für sich zu gewinnen, und die Kanonen schweigen. Doch das war nicht immer so. Bis in die neunziger Jahre kochte der Konflikt immer wieder hoch, und Matsu war bis an die Zähne bewaffnet. Das halbe Dutzend Inseln ist zusammen nicht mal so groß wie Borkum, aber überall finden sich Kasernen und Geschützstellungen.

Aus dem Album Matsu: Abandoned military installations and bunkers

Die Granitfelsen sind mit hunderten Tunneln und Bunkern durchzogen wie ein Schweizer Käse. Die Soldaten, die damals darin für den Ernstfall gedrillt wurden, mussten bis zu drei Jahre dienen, und Heimaturlaub gab es nur ganz selten.

Aus dem Album Matsu: Abandoned military installations and bunkers

Inzwischen hat das Militär viele Stellungen geräumt, und einige davon kann man besichtigen. Die „eiserne Festung“ etwa, ein ausgehöhltes, von Wellen umtostes Riff, in dem eine Elite-Einheit von Froschmännern in ständiger Alarmbereitschaft stationiert war. Oder den „Nordsee-Tunnel“, in dem 120 Landungsboote vor Bombardierung geschützt ankern konnten. Mehr als 700 Meter lang und 10 Meter breit, wurde er über drei Jahre mit Presslufthämmern in den Granit geschlagen. Dutzende Männer kamen dabei ums Leben. Keine 30 Jahre später wurde der Tunnel für überflüssig erklärt. An die Soldaten erinnert ein Denkmal.

Aus dem Album Matsu: Abandoned military installations and bunkers

Auf einem Bergplateau stehen ausrangierte Panzer und Flugabwehrgeschütze. Früher war hier Sperrgebiet.

Aus dem Album Matsu: Abandoned military installations and bunkers

Die Aussicht ist beeindruckend: Meer, Klippen, Wind und Wellen. Und hinten am Horizont das chinesische Festland. Es sind schöne Inseln, deren zerklüftete Küsten manchmal ans Mittelmeer erinnern. Nur, dass dort keine bunten Tempel die Landschaft zieren.

Aus dem Album Weird and interesting places on Matsu

Hoffentlich bleiben sie künftig vom Geschützdonner verschont. Und von Spielcasinos.

Aus dem Album Weird and interesting places on Matsu

Eine Folge aus meiner Taiwan-Kolumne im heimatlichen Anzeigenblatt.

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Klaus Bardenhagen

Klaus Bardenhagen

Comments

2 Antworten

  1. Hallo Klaus,

    sehr interessantes Blog. Ich habe mir auch die Fotos zum Matsu-Beitrag angesehen, die mich an meinen Besuch auf Kinmen erinnerten. Auch dort scheint man ja über Casinos nachzudenken.

    Gruss Werner

    1. Danke. Ja, es gibt die Theorie, dass es bei der Matsu-Abstimmung eigentlich darum ging, den Bewohnern von Kinmen Druck zu machen, weil es sich ja eigentlich noch viel besser als Standort eignen würde.

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