Herbstfest? Mondfest? Hauptsache grillen!
Nach dem Deutschlandurlaub bin ich nun seit ein paar Tagen zurück in Taiwan und finde mich hier wieder in den Alltag ein. Einen wichtigen Feiertag habe ich knapp verpasst: Das Herbstfest (alias Mondfest). Es ist die kleine Schwester des Chinesischen Neujahrs und ebenfalls ein Anlass für die Familien, sich zu treffen – und zwar im Zeichen des Vollmonds.
Einen freien Tag haben die Taiwaner immer am 15. Tag des achten Monats nach dem traditionellen Mondkalender. Firmen zahlen dann oft einen Bonus, ähnlich dem Urlaubsgeld in Deutschland. Zum Mitt-Herbst-Fest (中秋節), wie der Feiertag eigentlich heißt, trifft sich die Familie dann zum gemeinsamen Vollmond-Gucken. Das soll Glück bringen und den Zusammenhalt stärken.
Interessante Infos zum Mondfest bei Radio Taiwan International
Kein Feiertag ohne Essen
Weil es aber kein abendfüllendes Programm ist, hat sich eine Reihe von Bräuchen eingebürgert, die – typisch Taiwan – vor allem mit Essen zu tun haben.
Typisches Herbstfest-Obst ist die Pomelo (柚子, youzi), eine Verwandte von Pampelmuse und Grapefruit. (Oder ist es eine Pampelmuse, und der Begriff Pomelo wird für sie im Englischen gebraucht? Wikipedia sorgt mal wieder für Verwirrung.)
Die kindskopfgroßen Früchte mit der dicken Haut und dem festen, säuerlichen Fruchtfleisch wachsen in Taiwan gut und haben gerade Hochsaison. Nur etwa 50 Cent zahle ich auf dem Markt umgerechnet pro Stück.
Noch wichtiger fürs Brauchtum sind die Mondkuchen (月餅, yuebing): Süße und extrem gehaltvolle Pasteten, gefüllt mit einer Masse aus Nüssen, Süßkartoffeln und anderen Leckereien. Mittendrin steckt ein hart gekochtes Eigelb, das den Vollmond symbolisiert. Diese Kalorienbomben schenkt man sich gegenseitig in aufwändigen Verpackungen. Wirklich aufgegessen werden am Ende wohl die wenigsten.
Grillen in Taiwan: Nur zu besonderen Anlässen
Erst seit einigen Jahren ist das Grillen ein Herbstfest-Brauch, hat sich dafür aber um so rasanter verbreitet. Normalerweise sind Taiwaner keine Grill-Fanatiker. In Parks ist es fast überall verboten, und der eigene Balkon dient meist als Abstellfläche und nicht dazu, draußen zu sitzen. Zum Herbstfest aber legt sich plötzlich die halbe Nation Einweg-Grills zu und feuert die Kohlen an – und zwar am liebsten auf dem Bürgersteig vor der Haustür.
Wandere ich an so einem Abend durch die Stadt, hocken alle paar Meter Gruppen von Taiwanern auf dem Pflaster und bestreichen Fleisch und Gemüse mit brauner Sojasoße. Das ist hierzulande die einzig gängige Marinade und schmeckt gar nicht schlecht. Die Gefahr, sich daran zu überfressen, besteht bei einem Grilltag pro Jahr auch nicht.
Besonders viel habe ich dieses Jahr allerdings nicht verpasst, heißt es. Das Mondgucken und Grillen war eine feuchte Angelegenheit, weil pünktlich zum Herbstfest ein Taifun seine Ausläufer über Taiwan geschickt hat.
Wenn Sie in Deutschland also das nächste Mal grillen oder den Vollmond sehen, genießen Sie es – nicht jedem ist das vergönnt.