Ein Mann will nach oben
Den freundlichen Herrn links sollte man sich vielleicht merken. Er heißt Ma Ying-jeou und könnte in nicht mal 24 Stunden der frischgewählte künftige Präsident Taiwans sein. Als Favorit gilt er jedenfalls.
Ma tritt für die Kuomintang (KMT) an, die frühere Staatspartei der Republik China (wie Taiwan heute noch immer offiziell heißt). Die KMT ist keine Partei wie jede andere. Von 1945 bis zum Jahr 2000 hatte sie Taiwan ununterbrochen regiert – oder besser: beherrscht. Denn bis 1987 das Kriegsrecht aufgehoben wurde, war Taiwan eine Militärdiktatur. Die ersten freien Präsidentenwahlen fanden 1996 statt. Der korrupte KMT-Parteiapparat hatte die Macht unter sich aufgeteilt, schaffte eine Menge Geld zur Seite und unterdrückte Andersdenkende. (Mehr zur Geschichte des Landes auf der Seite Über Taiwan.)
Heute sieht die Lage anders aus. Die KMT hat sich gewandelt, ist eine der zwei großen Volksparteien und gilt politisch als salonfähig. Ihre Gegner werfen der KMT allerdings vor, noch immer nicht wirklich mit der Vergangenheit aufgeräumt zu haben und nicht zu ihren Taten zu stehen. Und so ist die Gesellschaft in Taiwan politisch tief gespalten. Siehe dazu auch meinen Eintrag über den Wahlkampf der Demokratischen Fortschrittspartei (DPP).
Unzufriedenheit mit Taiwans DPP-Regierung
Die KMT befindet sich momentan im Stimmungshoch, denn viele Taiwaner sind unzufrieden mit der Regierungsführung des scheidenden Präsidenten Chen Shui-bian von der DPP. Bei den Parlamentswahlen im Januar 2008 gewann die KMT fast drei Viertel der Sitze. Und bei den morgigen Präsidentschaftswahlen gilt Ma Ying-jeou als Favorit, wenn auch sein Vorsprung zuletzt offenbar geschrumpft ist.
Ma und sein running mate Siew haben im Wahlkampf voll auf die Wirtschaftspolitik gesetzt. Viele Taiwaner sind enttäuscht von der wirtschaftlichen Entwicklung ihrer Insel, die seit den Tagen, in denen Taiwan als Tigerstaat galt, deutlich an Schwung verloren hat. Wenn man sich hier mit KMT-Anhängern unterhält, klingen ihre Klagen für deutsche Ohren nur allzu bekannt: Alles wird teuer, die Menschen haben immer weniger Geld in der Tasche, es gibt weniger Arbeitsplätze, junge Leuten haben Probleme beim Berufseinstieg.
Steigende Bedeutung Chinas
Tatsache ist, dass Taiwans Wirtschaft in den letzten Jahren zunehmend abhängig von China geworden ist. Politische Feindschaft hindert die beiden Seiten nämlich nicht daran, fleißig Geschäfte miteinander zu machen. Fast alle taiwanischen Konzerne haben ihre Fabriken auf das Festland verlagert, wo die Arbeit billiger ist. Diese Arbeitsplätze fallen in Taiwan natürlich weg. Immer mehr Geld fließt nach China, mehr als eine Million taiwanische Geschäftsleute leben in der Volksrepublik.
Was will Ma ändern? Auf einer Pressekonferenz für die internationalen Journalisten hat er seine Standpunkte noch einmal dargestellt. Übrigens hat Ma in den USA studiert und spricht hervorragend englisch – auch ein Grund dafür, dass viele Wähler ihn für besonders „präsidiabel“ halten.
Die Rettung für Taiwans Wirtschaft sieht Ma in noch mehr liberalization und globalization. Vor allem will er – und das unterscheidet ihn grundlegend von DPP-Kandidat Hsieh – die wirtschaftlichen Beziehungen mit China noch weiter vertiefen, bis hin zum Fernziel eines gemeinsamen Marktes. Auf diesen nicht genau bestimmten Begriff des cross-strait common market hatte sich die Gegenseite im Verlauf des Wahlkampfes eingeschossen. Sie wirft Ma vor, den Ausverkauf Taiwans an China voranzureiben und warnt davor, dass einer wirtschaftlichen Vereinigung zwangsläufig auch eine politische folgen werde.
Ein weiter Vorwurf an Ma lautet, er ändere seinen Standpunkt zu häufig. Vor einigen Tagen überraschte er Freund und Feind mit der Überlegung, dass Taiwan unter seiner Führung bei einer weiteren Zuspitzung der Lage in Tibet erwägen würde, die olympischen Spiele in Peking zu boykottieren. Das passte wenig zu seinem bisherigen Kurs einer behutsamen Wieder-Annäherung an die Volksrepublik, um die beschädigten Beziehungen zu verbessern.
Nicht einmal die China-kritische DPP wollte so weit gehen, im Gegenteil – sie befürchtet, dass ein Olympia-Boykott Taiwans Wasser auf die Mühlen Pekings wäre. Die chinesische Regierung wäre bestimmt nicht traurig, wenn die Sportler der „abtrünnigen Provinz“ zuhause blieben, statt mit einem eigenen Team an den Spielen teilzunehmen.
Wahlkampf-Großkundgebungen in Taipei
Die KMT verfügt ebenso wie die DPP über eine treue Stamm-Anhängerschaft. Die Stimmung auf einer Wahlkampfveranstaltung in Taipeh, die ich vergangenen Sonntag besucht habe, war entsprechend euphorisch.
Die Fahne auf dem Bild oben ist übrigens die offizielle Nationalflagge der Republik China – also Taiwans. Ich hatte mich schon gewundert, warum sie auf Veranstaltungen der DPP (immerhin die aktuelle Regierungspartei) überhaupt nicht zu sehen ist – bis mich jemand aufklärte: Das blaue Feld mit der weißen Sonne links oben ist zugleich das Parteienblem der Kuomintang.
Ma Ying-jeou und sein Image
Noch ein paar Anmerkungen zu Herrn Ma. (Der Name heißt übersetzt übrigens „Pferd“. DPP-Kandidat Hsieh dagegen ist Herr „Danke“.)
Ma wirbt mit dem Argument, nach acht Jahren DPP-Präsidentschaft sei die Zeit reif für einen Wechsel – ähnlich wie Barack Obama in den USA. Wie dieser, überzeugt der hochgewachsene Ma viele Menschen durch sein dynamisches, „modernes“ Auftreten. Seinen Konkurrenten Hsieh überragt er um fast 20 Zentimeter, was nach dem ersten Fernsehduell für Medienwirbel sorgte – denn die Regie hatte Hsieh auf ein Podest gestellt, das leider hervorlugte.
Im Wahlkampf warb Ma mit seinem Saubermann-Image in Sachen Korruption. Während die KMT über Jahrzehnte durch und durch korrupt war, konnte der zwischenzeitige Justizminister Ma tatsächlich bislang alle gegen ihn gerichteten Vorwürfe abwehren.
Im Gegensatz zum gebürtigen Taiwaner und früheren Bürgerrechts-Anwalt Hsieh ist Ma ein „Festländer“. Er wurde in Hongkong geboren. Der Vater, ein KMT-Funktionär, floh mit seiner Familie nach der Niederlage im Bürgerkrieg gegen Maos Kommunisten nach Taiwan. Hier machte auch der Sohn Karriere im Parteiapparat. In den achtziger Jahren, noch vor Beginn der Demokratisierung, war er bereits Vizeamtsleiter im Präsidialamt und Vize-Generalsekretär des KMT-Zentralkomitees.
Deutschsprachige Lebensläufe der Kandidaten und weitere Informationen zur Wahl bietet Radio Taiwan International.
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4 Antworten
Gute Beobachtung. Gute Frage. Andererseits haben die meisten Politiker in Deutschland überhaupt keine erkennbare Frisur. Außer Christian Wulff, aber der hat ja auch eine neue Freundin.
Warum eigentlich tragen asiatische Politiker immer einen wie mit dem Beil gezogenen Seitenscheitel? Das Pferd erinnert mich übrigens stark an Wolfgang Grupp, du weißt schon, den Trigema-Chef, der mit dem Verkauf von T-Shirts für Schimpansen ein Vermögen gemacht hat….
Der Trick mit dem Podest stammt übrigens aus Hollywood; Humphrey Bogart brauchte immer son Ding, damit er seine Filmparnerin auf den Mund küssen konnte statt aufs Dekollteee….welchen Trick sich die Sozen bei der Bundestagswahl wohl für den Problembären Beck ausdenken werden, damit er nicht ganz so verheerend aussieht? Ich schlage vor: Podest vors Gesicht nageln…