Er kommt wieder. Ab Januar ist Donald Trump zum zweiten Mal US-Präsident. Was das für Taiwan heißt, ist unklar. Ich befürchte: wenig Gutes. Aber ich hoffe, ich täusche mich.
Aus gegebenem Anlass hier wichtige Hintergründe zum Thema in einem Auszug aus meinem Buch „Die wichtigste Insel der Welt: Was Sie wissen müssen, um Taiwan zu verstehen“. (Erhältlich überall, wo es Bücher gibt.)
Unsicherheitsfaktor Trump
Abschreckung Chinas durch Unterstützung Taiwans – der Trend scheint eindeutig und könnte doch gebrochen werden. Ausgerechnet die USA drohen die Entschlossenheit ins Wanken zu bringen, falls Donald Trump erneut zum Präsidenten gewählt wird. […]
Dabei hatte Taiwan ausgerechnet während Trumps (erster?) Präsidentschaft in den USA an Bedeutung und Rückhalt gewonnen. Kurz nach seiner Wahl 2016 hatte er als president elect sogar einen Glückwunschanruf von Präsidentin Tsai entgegengenommen – das hatte es seit 1979 noch nie gegeben und sorgte natürlich für chinesische Proteste.
[Damals schrieb ich: „In ihrem Eifer, auf Trump einzudreschen, machten die allermeisten Medien sich in vorauseilendem Gehorsam die Argumente Chinas zu eigen. Damit legitimierten sie die Machtansprüchen eines autoritären Regimes und diskreditierten zugleich die berechtigten Hoffnungen Taiwans auf würdigere Behandlung.“]
Unter Trump als Präsident von 2017 bis 2021 vollzog Washingtons China- und Taiwanpolitik eine überfällige Kurskorrektur. Sein Vorgänger Barack Obama war auf diesem Feld asleep at the wheel gewesen. Als dessen damalige Außenministerin Hillary Clinton 2011 Amerikas „Pazifisches Jahrhundert“ und den Pivot to Asia verkündete, also eine strategische Kräfteverlagerung, erwähnte sie Taiwan mit keinem Wort.
Als Xi Jinping 2015 das Weiße Haus besuchte, log er Obama vor der versammelten Presse ins Gesicht: Chinas Inselbau im Südchinesischen Meer habe keine militärischen Ziele.
Ein erstes deutliches Zeichen, dass ein anderer Wind wehte, war der „Handelskrieg“. Anfang 2018 verkündete Trump neue Zölle auf Importe aus China.
Seit Trump spricht Washington Klartext über China unter Xi
Der große Wendepunkt war im Oktober desselben Jahres eine Grundsatzrede von Mike Pence. Amerikas Vizepräsident nahm am Hudson Institute, einem konservativen Thinktank, kein Blatt mehr vor den Mund und nannte viele Bereiche, in denen die beiden Länder inzwischen Widersacher waren:
„Amerika hatte gehofft, Chinas wirtschaftliche Liberalisierung würde zu engerer Partnerschaft mit uns und der Welt führen. Stattdessen hat China wirtschaftliche Aggression gewählt, was wiederum seine wachsende Militärmacht stärkte. Auch hat Peking nicht, wie wir gehofft hatten, einen Weg hin zu größerer Freiheit für sein Volk eingeschlagen. […] Trotzdem haben frühere Regierungen Chinas Handlungen so gut wie ignoriert – und sie in vielen Fällen sogar unterstützt. Aber diese Zeiten sind vorbei.“
Kein Wunder, dass vor der Wahl 2020 viele Taiwaner den Eindruck hatten, Donald Trump sei „gut für Taiwan“. Das war ebenso ein Trugschluss wie die Befürchtung, Biden würde Taiwan fallen lassen.
Tatsächlich gab es in Trumps Administration einige fähige Leute, die Taiwans Bedeutung erkannt hatten.[1]
Donald Trump selbst hatte wenig übrig für Taiwan
Er selbst aber war hinter den Kulissen in Sachen Taiwan genauso verantwortungs- und prinzipienlos wie sonst auch – und anfällig für Schmeicheleien: Von Xi um persönliche Gefallen gebeten, soll er immer wieder die Politik der „China-Falken“ in seiner Regierung unterlaufen haben. Laut seinem ehemaligen Nationalen Sicherheitsberater John Bolton verglich Trump China gerne mit seinem Schreibtisch, Taiwan aber mit der Spitze seines Stiftes. „Ich will nie etwas über Taiwan, Hongkong oder die Uiguren hören“, soll er Bolton 2019 gesagt haben.
Und einem republikanischen Senator, der ihn im selben Jahr auf die Gefahr eines chinesischen Angriffs hinwies, soll Trump erwidert haben: „Taiwan liegt zwei Fuß von China entfernt, wir sind 8000 Meilen weit weg. Wenn sie angreifen, können wir absolut nichts [not a fucking thing] dagegen tun.“

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Inzwischen hat Trump die Republikaner fast komplett auf Personenkult-Linie gebracht. Nach einem Wahlsieg 2024 würde er seine Administration wahrscheinlich nur noch mit hundertprozentig Getreuen besetzen, von denen kein guter Rat mehr zu erwarten ist.
Taiwan müsste dann darauf hoffen, dass in Washington wenigstens noch Kongressabgeordnete und Generäle in seinem Sinne argumentieren.
Was, wenn China Taiwan übernehmen will?
Würde er in einer zweiten Amtszeit Taiwan verteidigen, falls das einen Krieg mit China bedeute? „Wenn ich diese Frage beantworte, wäre ich in einer sehr schlechten Verhandlungsposition“, erwiderte Trump in einem Interview im Juli 2023.
Dann ging er nahtlos dazu über, Unfug darüber zu fabulieren: Taiwan habe den USA die Halbleiterindustrie weggenommen. Der Begriff „Verhandlungsposition“ deutet darauf hin, er könnte Taiwan schon als Verhandlungsmasse eingeplant haben.
China freut sich über solche Aussagen jedenfalls – und über die Aussicht auf einen Präsidenten Donald Trump auch. […] Der 5. November 2024 könnte nicht nur die Zukunft der USA entscheiden.

[1] Hervorheben möchte ich Matt Pottinger, stellvertretender Nationaler Sicherheitsberater von 2019 bis 2021. Siehe auch diesen 2024 von ihm mitverfassten Text
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