Seit zwei Monaten ist mein Buch „Die wichtigste Insel der Welt“ zu haben. Nun hat es Gesellschaft bekommen. Ich habe mir „Taiwan – Asiens erstaunliche Demokratie“ angeschaut. Mein Fazit: Keine Konkurrenz. Sondern?
Am 10. Juni 2024 ist es erschienen: „Die wichtigste Insel der Welt“. Mein erstes „richtiges Buch“ und nach 15 Jahren und vielen Taiwan-Berichten für unterschiedlichste Medien noch einmal eine neue Erfahrung.
Natürlich hoffe ich, dass es sich gut verkauft. Genaue Zahlen kenne ich noch nicht. Die Rückmeldungen von Lesern jedenfalls sind sehr ermutigend, und sie häufen sich.
Es gab auch schon Rezensionen, etwa im Newsletter Chinahirn, in der Badischen Zeitung oder demnächst in der Septemberausgabe des Magazins Internationale Politik. Ich hoffe auf möglichst viele weitere.
(Natürlich darf jeder, der das Buch gelesen hat, z.B. bei Amazon.de seine Wertung und/oder Rezension teilen.)
„Was Sie wissen müssen, um Taiwan zu verstehen“ ist der Untertitel meines Buches. Das ist, zugegeben, eine Ansage. Wenn auch hoffentlich keine allzu anmaßende.
Vor allem bedeutet es natürlich nicht: Sie sollten außer diesem Buch kein anderes über Taiwan lesen.
Konkurrenz belebt das Geschäft, oder: Mehr Taiwan ist immer gut
Ich will etwas ausholen: Nach meinem Umzug nach Taiwan 2009 war ich jahrelang der einzige Journalist, der vor Ort für deutsche Medien über dieses Land berichtete. War ich froh darüber? Nein.
Etwas Gesellschaft wäre mir damals willkommen gewesen. Alleine schon, weil natürlich niemand alle wichtigen Themen im Alleingang angemessen behandeln kann.
Konkurrenz belebt das Geschäft, da ist was dran. Und vor allem: Mehr Aufmerksamkeit für Taiwan hilft allen.
Inzwischen habe ich Kollegen hier vor Ort, und Taiwan kann sich über mangelnde Aufmerksamkeit auch in deutschen Redaktionen nicht mehr beklagen – wenn diese sich auch meist an Chinas Drohungen orientieren und durch Pekings Brille auf Taiwan blicken. (Das ist ein Missstand, den ich in meinem Buch ausführlich bespreche.)
Diese Aufmerksamkeit für Taiwan erstreckt sich auch auf den Buchmarkt. Mein Buch ist eines von mindestens vier, die dieses Jahr neu erscheinen oder bereits erschienen sind.
Und auch hier denke ich: Gut so. Taiwan ist wichtig genug (eben die wichtigste Insel der Welt…), und natürlich sollte man es aus möglichst vielen Perspektiven betrachten. Ein Journalist (meine Wenigkeit), ein Akademiker (Gunter Schubert) oder ein Schriftsteller (Stephan Thome) verfolgen natürlich unterschiedliche Ansätze.
Und dann ist da noch ein Band, der gerade auf den Markt gekommen ist, den man aber in keiner Buchhandlung finden wird: „Taiwan – Asiens erstaunliche Demokratie“ von David Demes und Frédéric Krumbein.
Ihr mit 190 Seiten schlankes, aber sehr gehaltvolles Buch ist bei der Bundeszentrale für politische Bildung (BPB) erschienen. Damit ist es auch nur dort zu bekommen (etwa über den BPB-Webshop), und nicht im regulären Buchhandel. Das Gute an diesem Vertriebsweg ist der durch Steuergeld subventionierte Preis: Es kostet nur 4,50 Euro.
Die beiden Autoren kenne und schätze ich seit Jahren. Sie kombinieren die journalistische und die akademische Perspektive: David Demes hat sich als freier Journalist für verschiedene Medien in Taipeh etabliert (und ist außerdem ein mit Brief und Siegel geprüfter Übersetzer). Frédéric Krumbein hatte sich schon bei der Stiftung Wissenschaft und Politik, einem der für die Bundespolitik wichtigsten Berliner Think Tanks, als Taiwanexperte profiliert. Zu dieser Zeit interviewte ich ihn auch gelegentlich.
(Anfang 2019 waren Krumbein und ich beide als Gesprächspartner in einer Taiwan-Ausgabe der hr-Sendung „Der Tag“, die hier nachzuhören ist. Es war damals noch sehr ungewöhnlich, Taiwan so viel Sendezeit zu widmen.)
Aus meinem Deutschlandurlaub habe ich mir ein Exemplar ihres Buches mit nach Taiwan genommen. Hier habe ich es nun quergelesen und möchte meine Eindrücke teilen. Dies ist also keine auf Komplettlektüre beruhende, detaillierte Rezension. Wer das übernehmen möchte, kann gerne einen Link oder seine Meinung in die Kommentare schreiben.
Vielleicht gibt es Leser, die vor der Entscheidung stehen, welches Taiwan-Buch sie sich zuerst vornehmen oder überhaupt zulegen wollen. Für die ist dieser Text gedacht.
Zwei Dinge vorweg. Erstens: Dies ist ein gutes Buch. Zweitens: Ich werde Vergleiche mit meinem eigenen Buch anstellen, aber dabei geht es nicht um „besser oder schlechter“. Das können gern andere übernehmen.
Was die Autoren sich vorgenommen haben, kann ich komplett unterschreiben: Die meisten wichtigen Entscheidungen zu Taiwans Status seien über die Köpfe der Taiwaner hinweg getroffen worden.
„Daher ist es gut, dass wir mittlerweile mehr über Taiwan sprechen. Aber es ist höchste Zeit, dass wir auch mit Taiwan sprechen. In diesem Buch haben wir uns daher bemüht, Taiwans Perspektive stärker in den Fokus zu nehmen.“
Seite 176
Wie die Bücher sich ähneln und unterscheiden
Wenig überraschend ist es, dass ihr Buch ähnliche Themenkomplexe behandelt wie meines (oder auch die „Kleine Geschichte Taiwans“ von Gunter Schubert). Will man Taiwan erklären, führt der Weg zwangsläufig über Abschnitte wie Geschichte, Demokratisierung, Wirtschaft oder Identität.
Bei mir sind es 16 Kapitel. Demes und Krumbein haben ihren Text in Dutzende von Unterkapiteln aufgeteilt. Diese kleinteilige Gliederung erleichtert die Orientierung. So lässt sich das Buch nicht nur gut linear lesen, sondern auch „häppchenweise“ selektiv.
Das BPB-Buch hat 190 Seiten, meines 240. Aufgrund des etwas größeren Formates vermute ich aber, dass sich die Textlänge weniger stark unterscheidet. Es hat durchgehend farbige Illustrationen, was die Kalkulation meines Verlags nicht hergab.
Inhaltlich gibt es, wie erwähnt, eine Menge Überschneidungen. Aber natürlich auch Unterschiede, in Details wie in der Schwerpunktsetzung.
Einige Aspekte, die Demes und Krumbein ausführlich schildern und die man in meinem Buch vergeblich suchen wird, sind etwa:
- Die aktuelle Situation von Taiwans indigenen Bewohnern
- Die Diskussion um die Todesstrafe
- Die Vorgeschichte der Einführung der gleichgeschlechtlichen Ehe
Andererseits beschäftige ich mich eingehender mit z.B. diesen Fragen:
- Die Entwicklung der deutschen Taiwanpolitik
- Die chinesischen Propagandalügen und -phrasen
- Der oft problematische Blick deutscher Medien auf Taiwan (Kapitel derzeit noch komplett bei Übermedien lesbar)
Ansprache ist nicht gleich Ansprache
Ein großer Unterschied zwischen unseren Büchern ist der Tonfall – die Art und Weise, wie wir die Leser ansprechen.
Demes und Krumbein haben für die Bundeszentrale für politische Bildung geschrieben, eine Bundesbehörde mit dem Ruf der Neutralität. Das ist sicher einer der Gründe für den nüchternen, wenig persönlichen Tonfall ihres Buches. Es sagt dem Leser: Hier, dies sind die wichtigsten Informationen. Kompetent zusammengefasst und strukturiert. Durchdringe den Text, nimm sie auf, und wenn die Informationsdichte dir zu viel wird, kannst du immer zurückkommen und nachschlagen.
Dabei finde ich ihr Buch sprachlich ansprechend und durchgängig flüssig lesbar. Sätze wie dieser markieren das obere Ende der Komplexitätsskala:
„Zur gleichen Zeit eröffnen sich für Taiwan aufgrund seiner konsolidierten Demokratie und Hochtechnologiewirtschaft, der engen transatlantischen Beziehungen und der zunehmend kritischen Perspektive auf China unter den europäischen Staaten neue Möglichkeiten, die bilateralen Beziehungen zur EU zu stärken.“
Seite 118
Auch Meinungsaussagen kommen in dem primär objektiv gehaltenen Text durchaus vor:
„Die mehr als 23 Millionen Menschen in Taiwan sollten ohne Angst vor einer militärischen Invasion demokratisch entscheiden können, ob sie ihren Staat Republik China oder Republik Taiwan nennen.“
Seite 99
Im Großen und Ganzen ist „Taiwan – Asiens erstaunliche Demokratie“ ein Buch, das vor allem informieren will – und sicher nicht unterhalten.
Warum ich persönlich werden und erzählen wollte
Mein Ansatz für „Die wichtigste Insel der Welt“ war ein anderer. Als ich mit dem Schreiben begann, war mir klar: Meine persönlichen Erfahrungen und Bewertungen will ich nicht zurücknehmen, sondern im Gegenteil immer wieder einfließen lassen. Schließlich haben gerade meine 15 Jahre Erfahrungen vor Ort meinen Blick geformt.
Und: Ich will nicht nur zusammenfassen, sondern erzählen. Taiwans Geschichte besteht auch aus Geschichten – und die sind mal haarsträubend, mal erschütternd, oft überraschend. Trocken, zäh oder übermäßig kompliziert sollte es nie werden. Szenische Schilderungen von Schlüsselmomenten, viele davon selbst erlebt, waren mir wichtig. Eine Sprache, die Emotionalität durchscheinen lässt und nicht verbirgt, auch.
Leser sollen von Anfang an verstehen: Dies ist mein Text, beruhend auf meinen Erfahrungen und geschrieben aus meiner Perspektive. Das mache ich transparent, und wenn ihr das okay findet, dann folgt mir und hört euch an, was ich zu sagen habe.
Mein Ziel war also, ein Buch zu schreiben, das sachlich korrekt ist und persönlich. Nicht akademisch, sondern narrativ. Das komplexe Zusammenhänge vermittelt und neue Erkenntnisse liefert. Und dem man dabei gerne folgt, weil man erfahren will, was als nächstes passiert ist und wie Eins zum Andern passt.
Ob mir das gelungen ist, mag jede Leserin und jeder Leser für sich beurteilen. Mich hat es sehr gefreut, als mir einer meiner ehemaligen Lehrer in der alten Heimat kürzlich sagte: „Ich habe Ihr Buch in zwei Tagen verschlungen. Es war spannend und vielschichtig wie ein Krimi.“
Also was jetzt?
Natürlich bin ich hier nicht unparteiisch, und ich stehe zu meinem Buch. Aber es geht zum Glück nicht um entweder/oder.
Demes und Krumbein haben einen Band geschrieben, wie er auf Deutsch lange gefehlt hat: Aktuell, zugänglich, umfassend aber verdichtet. Vielleicht nicht ideal für den Strandurlaub, doch als Grundlagen- und Nachschlagewerk ebenso geeignet wie als Seminarlektüre.
Der günstige Preis der BPB-Publikation erleichtert die Entscheidung. Meine Meinung: Wer sich für Taiwan interessiert, sollte sich beide Bücher zulegen. Denn sie ergänzen sich prima.
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Eine Antwort
Sehr schön. Besten Dank für diesen ergänzenden Tipp! Das Buch von Demes und Krumbein kann nur eine weitere Bereicherung sein in der Information und Diskussion über Taiwan. Dass innerhalb so kurzer Zeit zwei hervoragend recherchierte, sehr angenehm lesbare, kritische und überaus aktuelle deutschsprachige Bücher zum Thema Taiwan erscheinen, ist ein wahrer Glücksfall.