Eine Stadt denkt um: Weniger Beton, mehr Geschichte
In Taipeh werden Straßen umgestaltet und die Abrissbirne geschwungen. Der Bürgermeister nutzte die Feiertage zum Chinesischen Neujahrsfest, um eine schmuddelige Ecke der Stadt aufzuwerten und Taipehs alte Schätze besser zur Geltung zu bringen.
Dieses Stadttor ist einzigartig in Taipeh
Es geht um Beimen (北門), das Nordtor, Taipehs einziges im Originalzustand erhaltenes Stadttor. Erst Ende des 19. Jahrhunderts war die Stadtbefestigung mit fünf Toren gebaut worden. Der neue Stadtkern, wo heute Hauptbahnhof und Präsidentenpalast sehen, lag auf halbem Weg zwischen den damals größten Ansiedlungen.
這是攝於日治初年(1895年9月19日)的台北城承恩門(北門)與城牆,拍攝者為日軍隨軍攝影師小川一真,當時他站在城外甕城高處往南拍攝城內景象,城門以南為清代的撫台街(今延平南路)一帶,城門旁的城牆上無城垛是因為甕城的城牆已有城垛,後來日人在…
Posted by 張哲生 on Friday, February 19, 2016
Die Bewohner dieser beiden Orte, die heute als Wanhua (Mengjia, Monga) und Dadaocheng längst mit der sich ausbreitenden Stadt verschmolzen sind, lagen öfter mal im Kriegszustand miteinander, und Banditen gab es wohl auch. Wilde Zeiten müssen das gewesen sein.
Nicht viel später übernahmen dann die Japaner Taiwan, sorgten (brachial) für Ruhe und Ordnung und hatten keinen Bedarf mehr für die Stadtmauer. Wenigstens ließen sie das Nordtor stehen.
Bausünde von gestern
Jetzt ein Sprung in die 1970er Jahre. Taiwan erlebt sein Wirtschaftswunder, überall wird gebaut, die Vergangenheit spielt keine Rolle. Eine Hochstraße wird errichtet, die haarscharf am Stadttor vorbeiführt, es einzwängt und für Fußgänger fast unerreichbar macht.
Fast schon ein Wunder, dass man es nicht gleich abgerissen hat.
Umdenken in Sachen Denkmalschutz
Und heute? Taiwan besinnt sich langsam auf seine Geschichte, einige alte Häuser wurden schon saniert, Tourismus gewinnt an Bedeutung. Weg also mit dem Schandfleck, entschied Taipehs Bürgermeister Ko Wen-je, der Kontroversen nicht aus dem Weg geht. Sollen die Autofahrer doch ein paar Minuten länger an der Ampel stehen.
Noch mehr Hintergründe und schöne Fotos im Blog von Alex Kunz
Bagger und LKW rückten an, während das Land im Urlaub war. Stück für Stück fraßen sie sich durch den Beton der Hochstraße. Von einer eigens errichteten Aussichtsplattform aus fotografierten Schaulustige fleißig. Es gab sogar Souvenir-Stempelabdrücke.
Neue Aussichten, neue Pläne
Nach wenigen Tagen war der Blick wieder frei, und viele Einwohner von Taipeh rieben sich verwundert die Augen: Ach, wir haben so schöne alte Bauten?
Die Gegend, in der noch einige historische Gebäude wie das alte Postamt (ganz oben im Bild links) stehen, soll nun für Touristen hübsch gemacht werden. Die Achse wird von einem neu gestalteten Platz am Nordtor bis zur Dihua Street reichen, dem einzigen Viertel von Taipeh, das man noch mit Fug und Recht als „Altstadt“ bezeichnen kann. Eine Übersicht der Pläne, und viele Fotos, finden sich in diesem herausragenden englischen Blogpost.
In vielen Fällen ist es dafür natürlich längst zu spät, viel alte Bausubstanz ist unwiederbringlich verloren. Doch es ist ermutigend, zu sehen, dass Auswüchse der „Modernisierung“ auch mal rückgängig gemacht werden können.