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Gute Gründe gegen Taiwan

Ein Parade-Radweg, sogar mit Mäuerchen von der Straße abgegrenzt. Trotzdem eine prima Abkürzung für ungeduldige Scooter-Fahrer. (Taipeh, Dunhua N. Rd.)

Ärgernisse in Taiwan

Oft spare ich mir die 15 Taiwan-Dollar (30 Eurocent) für die China Post, ist diese (nebenbei bemerkt stramm „blaue“, also regierungstreue) Zeitung doch ziemlich schlecht gestaltet. Ein Layout von vorgestern. Außerdem verfolgt sie in ihren Leitartikeln manchmal eine geradezu demokratiefeindliche Linie, die das Lesen zum Ärgernis macht. Dann lieber die Taipei Times. Die ist zwar genauso parteiisch (nur für die andere Seite), aber wenigstens kommen dort immer wieder Stimmen zu Wort, die vom anderen Lager verschwiegen werden. Aber ich schweife ab.

Neulich aber sind mir in der China Post auf zwei Seiten „Lokales“ (so nennen sie die Innenpolitik, weil „Taiwan“ nach ihrer Denke ja kein Staat sein kann) gleich mehrere kurze Artikel aufgefallen, die allesamt hochinteressant sind – weil sie zeigen, dass in diesem schönen Land eben doch einiges im Argen liegt.

Und man kann ja nicht immer nur das Positive sehen.

1) Biking accidents in Taipei City escalate

Lange war Fahrradfahren in Taiwans Städten nur etwas für Lebensmüde und Mormonen-Missionare (die grundsätzlich zu zweit mit Mountainbike und Helm unterwegs sind, aber ich schweife schon wieder ab). Nun gibt es seit wenigen Jahren Bemühungen, die Städte Fahrrad-freundlicher zu machen. Es werden einige Radwege angelegt, in Taipeh und Kaohsiung wurde ein Fahrrad-Leih-System wie in vielen europäischen Städten eingeführt. Das steckt aber alles noch in den Kinderschuhen.

Radweg Taipeh Strasse
Ob so was schon als neu angelegter Radweg gilt? Viel Spaß beim Befahren! (Taipeh)

Laut dieser Meldung gab es von Januar-Mai 2009 in Taipeh 395 Verkehrsunfälle mit Fahrrad-Beiteiligung – fast ein Drittel mehr als im Vorjahreszeitraum. Die Zahl der getöteten Radfahrer ist demnach um 43 Prozent gestiegen (leider wird keine totale Zahl genannt).

Interessant ist nun, welche Schlussfolgerung Taipehs Verkehrsbehörde daraus zieht. Wird die Rücksichtslosigkeit der Autos und Motorroller angemahnt, die grundsätzlich ohne Vorwarnung, und ohne auf den nachfolgenden Verkehr zu achten, die Spur wechseln? Gibt es Kurse zum Thema „wie benutze ich meinen Blinker“ oder „warum Fußgänger bei grüner Ampel die Straße überqueren dürfen“? Nein. Die Hauptschuld liegt natürlich bei den Radfahrern:

„Bicyclists should check traffic signs, pay attention to traffic flow, give other vehicles signals when making a turn and follow traffic laws more rigorously so as to avoid accidents.“

Ist schon klar – der Schwächere soll sich gefälligst an Regeln halten, die Stärkeren dürfen nach bewährter Chaos-Manier weiterfahren.

Ein Parade-Radweg, sogar mit Mäuerchen von der Straße abgegrenzt. Trotzdem eine prima Abkürzung für ungeduldige Scooter-Fahrer. (Taipeh, Dunhua N. Rd.)
Ein Parade-Radweg, sogar mit Mäuerchen von der Straße abgegrenzt. Trotzdem eine prima Abkürzung für ungeduldige Scooter-Fahrer. (Taipeh, Dunhua N. Rd.)

Ich bin kein fanatischer Radfahrer und habe hier in Taiwan auch kein Fahrrad. Ich finde diese Argumentation aber wunderbar beispielhaft für die Inkonsequenz, mit der hier viele Probleme angegangen werden. Man würde ja gerne vieles besser machen, kommt aber doch nicht von asozialen egoistischen Verhaltensweisen los. Aus dem selben Grund gibt es auf  öffentlichen Toiletten so selten Klopapier-Rollen – meine Lehrerin meint jedenfalls: Jeder würde sich „auf Vorrat“ mehr abrollen, als er braucht, und am Ende wäre doch nur das Klo verstopft. Statt dessen schleppt jeder notgedrungen seine eigenen nicht-wasserlöslichen Tissues mit sich rum, und das Klo ist im Zweifelsfall trotzdem verstopft.

Fußgänger sollen sich gefälligst an die Regeln halten, denn auf den Straßen von Taipeh sind gefährliche Haifische unterwegs. Großartige Analogie.
Fußgänger sollen sich gefälligst an die Regeln halten, denn auf den Straßen sind gefährliche Haifische unterwegs? Großartige Analogie.

2) Taitung prison overcrowded with drunk drivers

In der aktuellen Wirtschaftskrise ziehen es offenbar einige Menschen vor, ins Gefängnis zu gehen, statt eine Geldstrafe für Alkohol am Steuer zu zahlen. So sparen sie sich das Geld, und gebraucht werden sie draußen offenbar sowieso nicht. In Taitung führte das dazu, dass plötzlich 500 Häftlinge in einem Gefängnis saßen, das für 345 Insassen ausgelegt ist. Die Polizei sagt, wenn das so weiter geht, gibt es bald nur noch Geldstrafen und keine Wahlmöglichkeit mehr.

Die Strafen sind nicht von schlechten Eltern. Das Limit liegt offenbar bei 0,55 Promille. Herr Wang wurde mit 1,64 erwischt und hat sich freiwillig für vier Monate einsperren lassen. Frau Lin bekam für 0,63 Promille 45 Tage Haft. Herr Chen hatte dann doch keine Lust auf das Gefängnis, er zahlte für 0,69 Promille 30.000 NT$ (650 Euro), also mehr, als Berufseinsteiger hier im Monat verdienen.

3) Taiwan Railway slammed for bad English translations

Englisch-Schulen sind in Taiwan ein eigener Wirtschaftszweig. Viele Eltern geben Unsummen dafür aus, ihre Kinder dort von „Lehrern“ unterrichten zu lassen, deren einzige Qualifikation in einem amerikanischen oder kanadischen Pass und irgendeinem College-Abschluss besteht. Viel schlechter als der Frontalunterricht in den Schulen, wo vor allem Grammatik für Prüfungen gepaukt wird, kann die Qualität aber auch nicht sein.

Hess - der Englisch-Kindergarten Ihres Vertrauens?
Hess - der Englisch-Kindergarten Ihres Vertrauens?

Kurz gesagt, die Englisch-Kenntnisse der Taiwaner lassen im Großen und Ganzen zu wünschen übrig. Was schade ist, weil die Menschen eigentlich so weltoffen und interessiert am Rest der Welt sind.

Unfreiwillige Poesie am Getränkeautomaten
Unfreiwillige Poesie am Getränkeautomaten

In dem Provinzbahnhof Shalu in der Nähe von Taichung jedenfalls hätte man sich das Geld für die englische Ausschilderung offenbar besser gespart, wie dieser Artikel zeigt (z.B. „Quiet Proper University“ statt „Providence University“). Bahnhofsmanager Herr Li zeigt sich betroffen angesichts der „Übersetzungen“, die man extra bei einer externen Firma in Auftrag gegeben hatte:

„Li, responding to the embarrassing hiccups, said that the station staff did not notice the mistakes because of their poor English skills, and promised that the mistakes would be corrected immediately.“

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Klaus Bardenhagen

Klaus Bardenhagen

Comments

16 Antworten

  1. „Oft spare ich mir die 15 Taiwan-Dollar (30 Eurocent) für die China Post, ist diese (nebenbei bemerkt stramm “blaue”, also Regierungspartei-KMT-treue) Zeitung doch ziemlich schlecht gestaltet. Ein Layout von vorgestern. Außerdem verfolgt sie in ihren Leitartikeln manchmal eine geradezu demokratiefeindliche Linie, die das Lesen zum Ärgernis macht.“

    Ich fand sie beim Blättern gerade ziemlich gut lesbar …

    1. Online oder in Papierform? Ich finde es generell z.B. unschön, wenn Artikel auf der allerersten Seite beginnen und auf der letzen oder vorletzten („Lokales“) weitergehen.

      1. Online. Ich fand den Informationsgehalt ganz gut. Meine Kommentare waren ja alle auf den Inhalt bezogen …
        OpEds müßte ich mir mal anschauen, aber die sind in der Taipei Times ja auch mehr als ungenießbar …

        Zu diesen seltsamen Fortsetzungen: Das ist ja keine Sache allein der China Post … Das fällt mir jedes Mal unangenehm auf, wenn ich (zB im Flugzeug) eine englische/amerikanische Zeitung lese. Der IHT beispielsweise müßte das auch so machen. Gerade beim begrenzten Platz im Flugzeug nervt das Umblättern tierisch …

  2. In bißchen bei der China Post geblättert:

    „According to the Tourism Bureau under the Ministry of Transportation and Communications, when Typhoon Morakot struck Taiwan between Aug. 7-9, there were 9,481 Chinese tourists in 405 groups in Taiwan. All of them are safe, the bureau said.“

    Sind die einheimischen Touristen (nach Ansicht der China Post) etwa doch keine Touristen?

    Andere, ganz blöde Frage: Wer kommt auf die bescheuerte Idee, in der Taifun-Saison eine Reise in die Berge machen zu wollen? OK, ich letztes Jahr, aber das ist eine andere Geschichte …

  3. „Head of Hsuan Chuang University’s Department of Foreign Languages and Literature said the translations reflected not only poor English, but also terrible Chinese skills.“

    My favorite …

  4. Also ich verstehe nicht was du gegen die China Post hast.
    Die EU und die USA benutzen nur die China Post fuer ihre Werbung.
    Taiwan ist kein Land, das sieht die KMT ganz richtig und weder die UN, noch die BRD erkennen Taiwan als Land an. Nicht eine internationale Organisation erkennt Taiwan an.
    Meist wird Taiwan nur aufgenommen, wenn von „Sonderverwaltungszonen“ wie Hong Kong die Rede ist.
    Die Laender die offenbar immernoch diplomatische Beziehungen haben, erkennen die Republik China als alleinigen Vetreter China an. Natuerlich zahlt Taipeh ordentlich Korruptionsgelder an die Diktaturen dieser Laender und nutzt deren wirtschaftlichen Lage aus.

    http://de.wikipedia.org/wiki/Ein-China-Politik

    1. „Also ich verstehe nicht was du gegen die China Post hast.“

      Sie ist ebenso parteiisch wie die Taipei Times, nur vertritt sie nicht meine Position 🙂

      „Die EU und die USA benutzen nur die China Post fuer ihre Werbung.“

      Das ist dreist.

      „Taiwan ist kein Land, das sieht die KMT ganz richtig“

      Nein, das sieht sie falsch.

  5. Zu http://www.taipeitimes.com/News/taiwan/archives/2007/08/11/2003373639 hatte ich mal an den Präsidenten (den alten) geschrieben:

    Dear Sir or Madam,

    may I kindly ask to bring this letter to the President’s attention.

    As Radio Taiwan International reports[1], the President wants to help making cycling more popular in Taiwan and even a „national sport“.

    I highly welcome this intention, but I’d like to draw the President’s attention to plans of the Ministry of Transportation and Communications which would make cycling seriously less attractive and road traffic less safe for cyclists.

    As the Taipei Times reported on August 11, 2007[2], the Ministry is planning to require

    a) „that cyclists wear helmets or face fines“,
    b) „that left turns be conducted in two steps by cyclists riding on roads“,
    c) „that cyclists ride within 1m of the edge of the road“, and
    d) „that bicycle makers be required to install lights and reflecting panels on new bicycles“

    While d) is certainly a step towards more safety, the other proposed measures are counter-productive.

    No study has shown as of yet that helmets reduce the number of killed or injured cyclists, but it is obvious that an obligation to wear helmets discourages people from cycling.

    Indirect left turns introduce new conflicts on the edges of crossings, make cyclists less visible and considerably increase the time needed for left turns, whereas it is unclear how this should increase safety.

    The same holds for requiring cyclists to drive within 1 m of the edge of the road. In other countries, like my home country Germany, cyclists are required to keep that distance from the edge of the carriageway as a safety distance. Furthermore, cyclists are receive less attention from other drivers when staying too close to the edge, true to the saying „out of sight, out of mind“.

    I hope the President can consider these points in his laudable efforts to promote cycling on Taiwan.

    If this matter is outside the duties and responsibilities of the President, I’d like to kindly ask you to forward this statement to
    Ministry of Transportation and Communications.

    As a personal remark, I’d like to thank the President for his efforts to bring and keep Taiwan on the international stage during his term of office.

    Sincerely,

    Jens Müller

    […]
    Federal Republic of Germany

    [1] http://english.rti.org.tw/Content/GetSingleNews.aspx?ContentID=55798

    [2] http://www.taipeitimes.com/News/taiwan/archives/2007/08/11/2003373639

    Antwort:

    發文日期:中華民國97年5月23日
    發文字號:路臺監字第0970400549號

    Date: May 14, 2008

    To: Mr. Jens Muller

    ich@tessarakt.de

    Dear Mr. Jens Muller,

    Thank your for your suggestions about the road traffic safety regulation

    involving cycling.

    For your concern that cyclists wear helmets may discourage people from

    cycling, since safety is the most important issue that everyone should

    concern, and the injury statistics of motorcycle riders has shown wearing

    helmet is effective in Taiwan, we strongly urge that cyclists could wear

    certificated helmets to protect their heads after being hit by a vehicle

    and falling down no matter there will be a law or not.

    Secondly, for your concern that indirect turns may introduce new conflicts

    for cyclists riding on the road, since there’re 20,802,481 motor vehicles

    in Taiwan, it’s already an existing regulation for motorcycles and bicycles

    and considering the traffic in Taiwan cities is very complicated, the

    2-step turn should be a safer way for cyclists tuning on the intersection

    in Taiwan.

    At last, for your concern about cyclists should ride within 1 m of the edge

    of the road, it is just a preliminary suggestion from some authorities and

    MOTC hasn’t decided to enact this as road traffic safety regulations.

    Currently the Institute of Transportation of MOTC is making a „Bicycle

    Environment Construction Plan“ under the guidelines by the Council for

    Economic Planning and Development. There will be a section to improve and

    provide spaces for cyclists to stay in safe on the road.

    Once again, thank you for you kind suggestions.

    Sincerely Yours,

  6. „Nun gibt es seit wenigen Jahren Bemühungen, die Städte Fahrrad-freundlicher zu machen. Es werden einige Radwege angelegt“

    Aha. Und was haben Radwege mit Fahrradfreundlichkeit zu tun?

    Es dürfte ja bekannt sein, daß das Konzept Radweg auch in Deutschland nicht funktioniert, jedenfalls nicht so, wie von der Propaganda der Verkehrsbehörden angepriesen.

    „Aus dem selben Grund gibt es auf öffentlichen Toiletten so selten Klopapier-Rollen“ – Öhm, gibt es da nicht Automaten mit Klopapier-Päckchen?

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