Deutsche Schüler erleben Taiwan
Es erinnert ein bisschen an „Und täglich grüßt das Murmeltier“: Alle zwei Jahre treffe ich hier bayerische Gymnasiasten, die ihre Partnerschule in Taiwan besuchen. Neulich war es zum dritten Mal soweit. Die Schüler wechseln, die Lehrer und ich bleiben gleich.
Mittagessen in der Schulbibliothek. 22 Deutsche und ihre taiwanischen Gastgeschwister machen sich über Pizza und frittierte Hähnchenteile her, die asiatische Küche fällt heute mal aus. An das landestypische Essen hätten einige sich auch nach einer Woche noch nicht recht gewöhnt, erfahre ich – hinter vorgehaltener Hand, denn vor den Kopf stoßen wollen die 14- bis 16-jährigen Bayern ihre Gastgeber nicht. In fremder Umgebung zurechtkommen, Vorurteile abbauen und Widersprüche akzeptieren, darum geht es schließlich bei diesen zehntägigen Reisen.
Ungewöhnliche Landkreispartnerschaft
Vom Starnberger See in Taiwans Großstadttrubel: Seit 1997 betreibt das Landschulheim Kempfenhausen den Austausch mit der San Min High School. Hintergrund ist eine skurrile Landkreispartnerschaft (PDF) zwischen dem dünn besiedelten Landkreis Starnberg mit seiner extrem hohen Millionärsdichte und dem Umland von Taiwans Hauptstadt Taipeh.
„Wir machen ganz andere Erfahrungen als Touristen“, sagt Viola Pröttel. „Wir müssen selbst zurechtkommen.“ Die 14-Jährige wohnt nun bei Familie Cai im fünften Stock. Freistehende Häuser sind für die meisten Taiwaner unvorstellbarer Luxus, zu dicht besiedelt ist ihre Insel. Gastschwester Pei-chi musste für den Besuch ihr Zimmer räumen. Es habe sich aber gelohnt: „Unsere Lehrer hatten uns gewarnt, Deutsche seien sehr kühl,“ erzählt sie mir. „Eigentlich sind sie aber viel herzlicher, als wir erwartet hatten.“
Lesetipp: Mein Bericht über den Starnberger Besuch 2009
An der Schule läuft vieles anders als gewohnt. Die Taiwaner müssen vor Unterrichtsbeginn selbst die Klassenräume putzen und pauken oft noch bis in den späten Abend in Nachhilfeschulen. Wenn ein Test geschrieben wird, muss kein Lehrer anwesend sein – gespickt wird trotzdem nicht.
Deutsche tragen keine Schuluniformen
Gefärbte Haare oder Make-up sind für Pei-chi und ihre Mitschülerinnen tabu. Die Deutschen tragen Jeans, bunte T-Shirts und schulterfreie Tops. Die Taiwaner stecken in weit geschnittenen hellblauen Schuluniformen, die an Trainingsanzüge erinnern. Seit ich in hier lebe, merke ich: Teenager werden hier langsamer erwachsen. Pei-chi ist 16, wirkt aber jünger. Die Besucherinnen mit ihren 14, 15 Jahren wirken dagegen wie Volljährige.
An neugierige Blicke haben die Bayern sich gewöhnt. Auch beim Ausflug in den Longshan-Tempel mustern viele Einheimische die exotische Truppe.
Lesetipp: Taiwan-Filme in Starnberg
In dem historischen Tempel herrscht wie immer buntes Treiben. Taiwaner jeden Alters legen mitgebrachte Blumen und Süßigkeiten auf Opfertische, entzünden Räucherstäbchen und beten zu einer der zahllosen taoistischen Gottheiten. Niemand stört sich an den Besuchern, die fleißig fotografieren.
Lesetipp: Bericht über den Besuch der Bayern 2011
Die Horizont-Erweiterung funktioniert in beiden Richtungen. Als nächstes sind die Taiwaner dran, im Juli steht der Gegenbesuch an. Pei-chi freut sich schon auf Deutschland. Da soll ja alles ganz anders sein.
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Eine Antwort
Hach, so eine Städte/Schul Partnerschaft hätte ich auch gerne erlebt. Mir war es nur möglich mal für ein Wochenende nach Belgien für ein Städtetreffen zu reisen. Trotz des kurzen Zeitraums war es ein tolles Erlebnis. Besonders muss ich aber bei dem Punkt mit dem „geschätzten Alter“ zustimmen. Besonders bei den Mädchen kann man in Deutschland vom Äußeren allein nicht ansatzweise abschätzen wie den das Alter tatsächlich ist.
Ansonsten ist es ein wirklich guter Artikel. Es ist schön zu sehen das jungen Menschen diese tolle Möglichkeit geboten wird. Das sind Erfahrungen die man sein Leben lang behält.