Warum Neujahr in Taiwan so wichtig ist
Draußen knallt es in diesen Minuten gerade ganz schön. Und wer nicht böllert, sitzt bei Mama und Papa am Festtisch. Taiwan feiert Neujahr nach dem Mondkalender!
Zu diesem wichtigsten Fest des Jahres hatte ich neulich schon eine kleine Geschichte online gestellt: Neujahrs-Stress und viel zu essen
Was es mit Chinesisch Neujahr auf sich hat
In Taiwan ist die Kaninchen-Plage ausgebrochen. Überall machen sie sich breit. Nicht die lebendigen Tiere – die kommen hier in freier Wildbahn so gut wie nicht vor. Aber in gezeichneter Form tummeln sie sich in fast jedem Laden, je niedlicher desto besser, und immer mit viel Rot und Gold. Denn ganz Taiwan bereitet sich auf das Frühlingsfest vor, auch bekannt als Chinesisch Neujahr.
Laut Mondkalender beginnt nächsten Donnerstag das Jahr des Kaninchens. In Taiwan stehen die zwölf Tierkreiszeichen nicht für einzelne Monate wie bei uns, sondern immer für ein ganzes Jahr. In diesem astrologischen Zoo lösen sich Drachen und Schlangen, Affen und Pferde in einer festgelegten Reihenfolge ab. Wer also nicht allzu neugierig erscheinen will, fragt statt „Wie alt bist du?“ einfach „Was ist dein Sternzeichen?“ Ein „Hahn“ etwa muss aktuell vor 6, 18, 30, 42 etc. Jahren geboren sein.
Die Viecherei soll auch Auswirkungen auf den Charakter haben. Im gerade ausklingenden Jahr des Tigers sank Taiwans Geburtenrate auf ein neues Rekordtief, denn die Raubkatzen gelten als leicht reizbare, schwierige Persönlichkeiten – das wollten viele sich und ihrem Nachwuchs ersparen. Kaninchen seien pflegeleichter, heißt es.
Als würden Weihnachten und Neujahr zusammenfallen, ist Chinesisch Neujahr das mit Abstand wichtigste Fest des Jahres. Am Neujahrsabend – also Mittwoch – versammelt sich jede Familie zum großen Festessen. Da ist kein Weg zu weit. Statt Päckchen tauscht man Geldgeschenke in roten Umschlägen, bleibt wach bis nach Mitternacht und beginnt das neue Jahr mit einer gemeinsamen Gebetszeremonie.
Ursprung des Chinesischen Neujahrsfests: Ein Monster
Dass einige die Nacht gleich ganz durchmachen, hat ebenso einen ernsten Hintergrund wie die Böller-Knallerei, die sich bekanntlich bis nach Deutschland verbreitet hat: In grauer Vorzeit zitterte die Menschheit vor einem grausigen Untier namens Nian (spich: „Nien“). Zum Glück schlief das Biest die meiste Zeit, doch immer zu Beginn des Frühjahrs wachte es auf, drang in die Häuser ein, fraß die Bewohner bei lebendigem Leib und führte sich generell garstig auf.
Eines Tages bemerkte ein kluger Kopf, dass Nian Häuser mit roten Türen verschonte, weil es sich vor der Farbe Rot fürchtete. Bis heute klebt man daher zu Neujahr rote Papierstreifen mit glückbringenden Sprüchen an die Türrahmen. Auch der Chinaböller-Lärm soll das Untier in die Flucht schlagen. Wer diese gefährliche Nacht – möglichst wach – überstanden hat, begrüßt seine Nachbarn am Neujahrsmorgen mit „Herzlichen Glückwunsch“ – weil man wieder einmal nicht gefressen wurde. Und Nian ist heute das chinesische Wort für „Jahr“.
Die Herkunft des satten Rot ist damit geklärt. Gold steht für das Vermögen, das man im neuen Jahr gewiss anhäufen wird. Aus finanziellen Erwägungen gehören beim Neujahrs-Festessen auch Teigtaschen auf den Tisch, die geformt sind wie antike Goldbarren. Und unbedingt Fisch, denn „Fisch“ klingt auf chinesisch genau wie „Überfluss“. Kaninchen dagegen können aufatmen – sie gelten nicht als besondere Glücksbringer.
Eine Folge aus meiner Taiwan-Kolumne im heimatlichen Anzeigenblatt.
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